© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/12 31. August 2012

Lockerungsübungen
Die Pflicht des Staates
Karl Heinzen

In der Verfolgung ihres Sparkurses kennt die italienische Regierung kein Tabu. Auch die Sicherheitskräfte, die einer sogenannten Kernaufgabe des Staates nachgehen, müssen ihren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten. So ist geplant, 35.000 Stellen bei der Polizei, den paramilitärischen Carabinieri sowie der Steuerpolizei einzusparen. Bis 2014 sollen von 100 Dienstposten, die durch Pensionierungen frei werden, nur noch 20 nachbesetzt werden. Ähnlich wird bei den Streitkräften der Rotstift angesetzt. Ihr Personalumfang soll um 33.000 Soldaten und 10.000 zivile Beamte sinken. Der italienische Verteidigungsminister hofft, seinen Etat dadurch in sechs Jahren um ein Drittel reduzieren zu können.

Die Schwächung der Sicherheitskräfte geht nicht mit einer Verbesserung der Sicherheitslage einher. Im Gegenteil: Die Kriminalität im Lande steigt, und so-ziale Verwerfungen lassen zumindest kleinere Revolten erwarten. Anschläge auf Steuerbehörden und Unternehmer wecken bereits heute Erinnerungen an die bleiernen 1970er Jahre. Was die äußere Sicherheit betrifft, hat der arabische Frühling die südliche Mittelmeerregion nachhaltig destabilisiert. In der angrenzenden Sahelzone können islamistische Extremisten im Schulterschluß mit Netzwerken der organisierten Kriminalität nach Belieben schalten und walten.

Noch vor wenigen Jahren hätte eine derartige Entwicklung der inneren und äußeren Sicherheitslage die Politik dazu veranlaßt, massiv in Polizei und Militär zu investieren. Nicht anders als einst könnte sie wohl auch heute auf eine breite Zustimmung der Bevölkerung zählen, wenn sie sich zu einem solchen Schritt entschlösse.

Die italienische Regierung muß dieser populistischen Versuchung aber widerstehen, da sie einem modernen Staatsverständnis verpflichtet ist. Danach ist dem Staat als oberste Pflicht auferlegt, die durch ihn zu garantierenden Eigentumsrechte nicht dadurch zu untergraben, daß er selbst den gegenüber seinen Gläubigern eingegangenen Verpflichtungen nicht nachkommt. Zugleich hat er den einzelnen in seiner Freiheit zu stärken. Dies erreicht er um so wirksamer, je mehr er sich aus dem Leben der Menschen zurückzieht. Auch die Sicherheit kann hier keine Ausnahme darstellen. Sie ist in die Hand der Bürger zu legen, wenn man es mit ihrer Selbstverantwortung wirklich ernst meint.

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