© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/12 31. August 2012

Blick in die Medien
Ich will Europa – nicht an der Backe haben
Ronald Gläser

Natürlich sind die Deutschen für Europa. Trotzdem wollen sie nicht für korrupte Beamte in Portugal zahlen oder für den überbordenden Sozialstaat in Griechenland. Um das Nettozahlervolk Nummer eins trotzdem weichzuklopfen für noch mehr Rettungsmilliarden, haben die Regierung und die staatsnahen Großkonzerne die Aktion „Ich will Europa“ erfunden. In Wahrheit ist nicht Europa gemeint, sondern die Monster-EU. Initiiert wurde die PR-Kampagne von Firmen wie BMW, Allianz oder Bertelsmann beziehungsweise von ihren Stiftungen. Moment mal: Sind das nicht genau die Großkonzerne, vor deren großem Einfluß uns die EU angeblich beschützen soll?

Auch daß die großen Medien wie FAZ, SZ, Spiegel oder RTL sich dafür hergeben – und zwar zusammen mit Staatsbetrieben wie der Deutschen Bahn –, wirft ein bezeichnendes Licht auf die ach so kritische veröffentlichte Meinung in Deutschland.

Macht aber nichts, denn die PR-Sülze ist beim Publikum sofort durchgefallen. Kaum war die Aktion bekannt, da begann die Netzgemeinde alles massiv durch den Kakao zu ziehen. Die Reaktionen reichten von sarkastischen Kommentaren bei Facebook („quadrierter Schwachsinn“) bis hin zu selbsterstellen Antwort-Videos bei Youtube („Ich will dieses Europa nicht“). Den wohl schärfsten Kommentar lieferte Henryk M. Broder ab. Er schrieb in seinem Blog: „So sind die Leute bisher nur im Sozialismus verarscht worden, als ihnen eingeredet wurde, es würde ihnen um so besser gehen, je schlechter die Lebensumstände wurden.“

Es zeigt sich: Die Deutschen fallen nicht auf diese plumpe Kampagne herein. Wieder einmal bewahrheitet sich jene Weisheit, die Abraham Lincoln zugeschrieben wird: „Man kann einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen und das ganze Volk einen Teil der Zeit. Aber man kann nicht das gesamte Volk die ganze Zeit täuschen.“

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen