© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/12 31. August 2012

Der Flaneur
Auf dem Trödelmarkt
Paul Leonhard

Acht Frauenhände wühlen sich durch einen Berg von Wäsche. Unentwegt wird das Untere nach oben gezogen, betrachtet und zurück auf den Haufen geworfen. Das geschieht bevorzugt in dem entlegeneren Teil des vielleicht zweimal vier Meter messenden Tisches. „Mir gefällt das auch nicht“, empört sich schließlich eine der Frauen, als erneut ein graues T-Shirt vor ihr landet.

Aber der Einwurf wird nicht beachtet. Zu beschäftigt sind die Damen. Schließlich kostet ein Stück hier nur 20 Cent. Was sind dagegen schon die anderen Angebote auf dem Trödelmarkt? Während die Elbe als träger, brauner Strom nach Hamburg fließt und sich die weißen Dampfer mit ihren Musikkapellen flußaufwärts kämpfen, herrscht am Ufer buntes Treiben.

Menschen bummeln entlang der Stände. Bleiben stehen, zeigen auf das eine und andere Stück. Kindheitserinnerungen werden wach. Hatten wir das nicht auch einmal? Weißt du noch? Es gibt verschrammte Matchboxautos und Indianerfiguren. Wehrmachtsstahlhelme liegen zwischen erzgebirgischen Schnitzereien, afrikanische Figuren neben undefinierbaren Elektroteilen.

Plötzlich erklingt lautstarke Musik. Eine aus drei Personen bestehende Gruppe bahnt sich ihren Weg durch die Menge. Zwei Zigeuner mit Gitarre und Akkordeon, davor ein älterer kleiner Russe. Eine seltsame Mischung. Die Musiker merken nicht, daß sie zu laut, zu aufdringlich sind. Zumal der eine Zigeuner die Leute anstupst, um sie zum Geldgeben zu animieren. Er bekommt keins. Mehr Glück hat ein wohl Elfjähriger, der ebenfalls Akkordeon spielt und vor sich ein Schild stehen hat: „Für ein neues Instrument.“

Drei Stunden Trödeln erschöpfen. Ich liege im satten Grün der Elbwiesen, schaue in den blauen Himmel. Ein Stück neben mir eine junge Frau. Sie hat einen gerade erworbenen Kronleuchter aus den frühen sechziger Jahren ins Gras gebettet. Mit dem Schnäppchen zufrieden, träumt sie

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