© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/12 07. September 2012

Toleranz wird nicht gewährt
Früher wurden Homosexuelle verfolgt. Heute verfolgt eine Schwulen-Lobby ihre Gegner
Thorsten Hinz

Deutschland muß, um seine Zukunft zu sichern, weiblicher, ausländer- und homoaffiner werden. So lautet das gesellschaftspolitische Credo. Doch die krachende Niederlage, die unsere zahme National-elf gegen die kraftvoll-virilen Italiener einfuhr, und das Chaos an den Multikulti-Schulen lassen von dieser Behauptung nichts übrig. Die Kumulation des blanken Hasses (neudeutsch: Shitstorm), den die Homo-Szene im Internet über die CDU-Politikerin Katherina Reiche hereinbrechen ließ, widerlegt auch den zivilisatorischen Zugewinn der forcierten Verschwulung. Auslöser war ein Interview Reiches in der Bild-Zeitung, wo sie äußerte: „Unsere Zukunft liegt in der Hand der Familien, nicht in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften.“ Ähnlich erging es dem CSU-Politiker Thomas Goppel, der kundgetan hatte, daß die „Gleichwertigkeit von Lebensgemeinschaften“ ihre „natürlichen Grenzen“ habe. Die „Qualitätsunterschiede“ zwischen Homo- und Heterosexuellen zeigten sich in der „Bestandssicherung“.

Ja, was denn sonst? Kinder sind nicht alles, aber ohne sie ist alles nichts. An keiner Stelle haben Reiche und Goppel eine Diskriminierung gefordert. Dennoch rief der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Merkel und Seehofer auf, die „homosexuellenfeindlichen Ausfälle in ihren Parteien mit einem Machtwort zu stoppen“. Ronny Pohle, der Bundesgeschäftsführer der Lesben und Schwulen in der Union (LSU), leitete Goppels Aussagen an die Staatsanwaltschaft weiter mit der Bitte, sie auf ihre Strafbarkeit zu prüfen. Pohle hatte 2010 zum Papst-Besuch auf seiner Facebook-Seite notiert: „Finde diesen alten, senilen Mann eben nur noch scheiße und dumm.“ Geschadet hat dem smarten Streber sein Auswurf nicht. Die einst bedrängte Minderheit hat heute eine gesellschaftlich geschützte Position inne. Ihre Ideologen und Funktionäre nutzen sie aus, um eine Büttel- und Denunziantenmentalität zu kultivieren und die Repression, der sie ausgesetzt war, nun gegen andere zu wenden. Mit Erfolg. Kein führender Unionspolitiker wagte es, Frau Reiche beizuspringen. In der ZDF-Diskussion mit dem Grünen-Politiker und Schwulenrechtler Volker Beck wirkte sie eingeschüchtert und zog klar den kürzeren.

Verweist das auf die lenkende Hand einer Homo-Lobby? Es gibt kein festgeknüpftes Netzwerk, wohl aber eine zielgerichtete Schwarmbewegung. Homosexuelle sind im Kultur-, Medien- und Politikbetrieb überproportional vertreten. Hinzu kommen Frauen, die ihre Karriere mit bewußter Kinderlosigkeit bezahlt haben und ihren Schmerz mit ideologischer Verbissenheit kompensieren. So fand der Norddeutsche Rundfunk die harmlose Eva Herman unzumutbar, weil sie vom Glück ihrer späten Mutterschaft schwärmte. Kein Problem hat der Sender hingegen damit, daß ein 41jähriger Moderator seine Verlobung mit einem 19jährigen Strichjungen bekanntgibt, der seinen Zuhälter umgebracht hat und wegen Mordes und Unterschlagung einsitzt.

Diskutieren muß man über die steuerliche Gleichstellung nichtehelicher, also auch gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, wo die Partner füreinander in Haftung stehen. Das hebt aber nicht die Unmöglichkeit einer „Homo-Ehe“ auf. Die Exklusivität der Ehe für Mann und Frau ergibt sich daraus, daß nur sie „ein Fleisch werden“, das heißt neues Leben hervorbringen können. Wer diesen Unterschied für unwichtig hält, wendet sich gegen das Leben selbst.

Diese Haltung entsteht, wenn die Sexualität nicht mehr dem Erhalt der Spezies dient, sondern der sogenannten Selbstverwirklichung. Deren Vertreter bauen lebensperspektivisch jedoch auf den Umverteilungsstaat, der die Kinder anderer Leute enteignet. Und noch in einem weiteren Sinne haben wir es hier mit einem extremen Egalitarismus zu tun: Wenn Unterschiede zwischen Menschen ausschließlich als sozial verursacht gelten, wird auch der Unterschied der Geschlechter zum beliebigen „Konstrukt“ und damit dekonstruierbar. Die ideologisch aufgeladene Schwulenemanzipation bildet das Modell für den Bruch mit der bürgerlichen Welt. Indem der Homosexualität völlige Gleichwertigkeit zuerkannt wird, werden Autorität, Bildung, Moral, die religiöse Fundierung, kurz: die ganze tradierte Werteordnung nivelliert.

Aktivität und Einfluß der Homo-Lobby korrespondieren also mit einer allgemeineren Entwicklung. Begünstigt werden sie zusätzlich dadurch, daß Homosexuelle in der Vergangenheit tatsächlich „Opfer“ waren. Opfer ziehen Zuwendungen und Privilegien auf sich. Opfer zu sein, befriedigt den postmodernen Narzißmus, der das Bewußtsein der eigenen Beliebigkeit durch übertriebene Selbstliebe ausgleicht. Der Homosexuelle ist für den gesellschaftlichen Narzißmus anthropologisch prädestiniert, denn er sucht im Partner nicht das Andere und Komplementäre, sondern die Verdoppelung seines Ichs beziehungsweise das eigene Wunschbild. Die heterosexuellen Opferversteher und -erklärer, die am Ruhm des schwulen Opfers partizipieren und den eigenen Narzißmus befriedigen, vervollständigen und verstärken den schwulen Lobbyismus.

Seine zunehmende Durchschlagskraft ist zudem ein Symptom für den Verfall des liberalen Staates. An dessen Ursprüngen stehen die Trennung von Staat und Gesellschaft und der individuelle Freiheitsgewinn. Diese Vorzüge besitzen aber eine Kehrseite: Die in die Freiheit entlassenen gesellschaftlichen Kräfte bemächtigen sich der Institutionen, der Staat verliert seine Schutz- und Befriedungsmacht und verkommt zum Instrument jakobinischer Kräfte, die zum Meinungsterror und noch mehr entschlossen sind.

Ihnen mit Appellen an die Toleranz entgegenzutreten, die dem bürgerlichen Wertekanon angehört, den sie ja gerade bekämpfen, ist sinn- und aussichtslos.

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