© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/12 07. September 2012

Lockerungsübungen
Schweigen ist besser
Karl Heinzen

Die Klasse 2b der Gemeinschaftsgrundschule Bernbach in Gummersbach hat die von ihr gebastelten Schutzengel nicht auf einem Basar veräußert, um wohltätige Zwecke in fernen Entwicklungsländern zu unterstützen. Man schickte sie vielmehr an deutsche Soldaten, die in einem solchen eingesetzt sind. Im afghanischen Mazar-e-Sharif stieß dieses ungewohnte Zeichen der Anteilnahme in der Heimat bei den Empfängern auf eine derartige Resonanz, daß aus der Aktion eine mehrjährige Kooperation mit der Bundeswehr erwachsen ist. Bis zum Ende ihrer Grundschullaufbahn werden die Kinder nun die Verbindung zu den deutschen Kontingenten am Hindukusch aufrechterhalten.

Daran stören sich jetzt die in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vereinten Bildungsexperten. Sie nahmen die Enthüllungen mit Bestürzung auf, wollen sie doch das Argument nicht gelten lassen, daß hier lediglich Menschen Zuspruch gewährt werden soll, die eines solchen bedürften. Sie werten den Skandal vielmehr als Indiz für eine weitere Militarisierung der Gesellschaft. Bislang hätten sich Wehrdienstberater und Jugendoffiziere damit begnügt, an weiterführenden Schulen ihr Unwesen zu treiben. Nun nähme die Bundeswehr offenbar auch noch die Grundschulen ins Visier.

Auf Entsetzen stößt aber nicht nur die manifeste Verschwörung gegen den Frieden, sondern auch die Mißachtung pädagogischer Grundsätze. Grundschulkinder seien noch viel zu jung, um sich mit einer so komplexen Frage wie dem Krieg auseinandersetzen zu können. Dieser Einwand ist nicht von der Hand zu weisen, sollte aber konsequent zu Ende gedacht werden. Auch Jugendliche an weiterführenden Schulen können zwar zu einer bedingungslosen Friedensliebe geführt werden. Um ihnen Hintergrundwissen über Sicherheitspolitik und Militär zu vermitteln, fehlt aber schlichtweg, was gar kein Manko sein muß, die Zeit. Sofern sie nicht Erfahrungen mit Spielen wie „World of Warcraft“ haben, vermögen sie sich auch nicht in die Rolle von Soldaten hineinzuversetzen. Dies gilt aber nicht nur für Jugendliche. Das Unverständnis für den Krieg kennt keine Altersschranken. Die Gesellschaft insgesamt ist durch ihn emotional überfordert. Daher ist es auch im Interesse aller, wenn man gar nicht erst über ihn spricht.

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