© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/12 07. September 2012

Gegenwartsbezogene Orientforschung: Die Türkei in hellsten Farben
Erdogans Modernisierungsschub
(dg)

Die Studie, die Heiko Schuß, Fachmann für „gegenwartsbezogene Orientforschung“ am Institut für Wirtschaftswissenschaft der Uni Erlangen-Nürnberg, zur Entwicklung der modernen Türkei im Didaktiker-Magazin Geographie und Schule (197/2012) publiziert, gibt dem Verdacht neue Nahrung, daß gewisse Wissenschaften nur partiell der Ermittlung „objektiver“ Wahrheit verpflichtet sind. Denn Schuß malt in hellsten Farben das Bild einer „stabilen Demokratie“ und „dynamischen Marktwirtschaft“, dem gegenüber europäische Distanz gegenüber den „Osmanen“ unangemessen rückständige Züge zeige. Für Schuß ist es Recep Tayyip Erdoğans herrschende islamistische „Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei“ (AKP), die einen einzigartigen Modernisierungsschub bewirkt habe, zu dem die alte laizistische Elite nicht fähig gewesen sei. Die AKP realisierte die neoliberale Privatisierung türkischer Staatsbetriebe, sie habe im rückständigen anatolischen Hinterland kontinuierlich Wirtschaftszentren aufgebaut, eine „Demokratisierung“ im Umgang mit kurdischen wie alevitischen Minoritäten eingeleitet. Daß die 2005 aufgenommenen EU-Beitrittsverhandlungen nie unter einem „günstigen Stern“ standen, lastet Schuß nicht den Türken, sondern – bis auf die Zypern-Frage – Brüssel, primär aber den angeblich „konservativen Regierungen“ in Berlin und Paris an.

www.aulis.de

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen