© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/12 07. September 2012

Umwelt
Nur ein Trostpreis
Volker Kempf

Die Soziologin Ute Scheuch veröffentlichte vor zwei Jahren ihre zwischen 1983 und 2002 gewonnenen Reiseeindrücke aus Indien und China. Anschaulich wird in dem Buch geschildert, wie die Motorisierung voranschritt. Wer heute in die bevölkerungsreichsten Länder der Welt reist, kann so ermessen, wie dieser Trend bis heute anhält. China ist längst der größte Automarkt der Welt. Selbst im armen Indien hat sich manche Plagerei mit dem Fahrrad erübrigt. Das sei jedem gegönnt. Nur mit der Zauberformel „Effizienzrevolution“, mit der Energie und Rohstoffe besser genutzt werden sollen, hat das nichts mehr zu tun. Was spart es an Energie, wenn von einer wachsenden Milliarden-Bevölkerung Fahrräder durch Motorräder und Autos ersetzt werden? Nichts. Die weltweit benötigte Energiemenge steigt.

Und in Deutschland? Hier wurden die Motoren zwar effizienter, aber das wird durch höhere Ansprüche kompensiert. Große Autos nach US-Vorbild (SUV, Van) haben zweistellige Zuwachsraten. Immer mehr Elektrogeräte glänzen mit der Effizienzklasse „A+++“, aber die Ansprüche wachsen: Mehr als zehn Prozent des Haushaltsstromverbrauchs verursachen Computer und Fernseher im Dauereinsatz. Unter dem Strich ist der Weltenergieverbrauch in den letzten zehn Jahren nicht gesunken. Aus der Effizienzrevolution ist eine Effizienzillusion geworden. Die Stromrechnung soll künftig weiter steigen, denn die rasche Energiewende kostet Geld, das auf die Verbraucher umgelegt wird. Und die Landschaft wird zusätzlich verschandelt – vor allem im grün-roten Windkraftentwicklungsland Baden-Württemberg. Was ist daraus zu lernen? Einfache Lösungen gibt es nicht, nur große Versprechungen. Es ist wie bei einer Tombola: Am Ende bleibt nach viel Einsatz ein Trostpreis. Dieser besteht darin, daß ohne mehr Energie- und Rohstoffeffizienz die Verbrauchsbilanz noch negativer ausfallen würde.

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