© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/12 14. September 2012

Wenn drei sich streiten, freut sich Schockenhoff
Baden-Württemberg: Die Kandidatenaufstellung für die Bundestagswahl in Ravensburg zeigt exemplarisch das Dilemma der Konservativen in der CDU
Friedrich-Thorsten Müller

Die Nominierung der Kandidaten für die Bundestagswahl ist vielfach eine klare Sache. Meist hat sich die Parteiführung im Vorfeld darauf verständigt, den bisherigen Wahlkreiskandidaten erneut ins Rennen zu schicken, oder aber ihm bedeutet, wie jetzt in Berlin Wolfgang Thierse (SPD), seine Zeit sei abgelaufen, er möge doch von sich aus zurückziehen. Mitunter aber, wie kürzlich in Baden-Württemberg zu beobachten, ist eine Kampfabstimmung unausweichlich.

Während der parlamentarischen Sommerpause fanden in Ravensburg im früher erzkonservativen Oberschwaben, über 1.000 Parteimitglieder den Weg zum Nominierungsparteitag. Und das obwohl ein seit 22 Jahren amtierender Abgeordneter und stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender erklärt hatte, erneut kandidieren zu wollen. Die Rede ist vom 55 Jahre alten Andreas Schockenhoff, der im vergangenen Jahr durch eine Fahrerflucht unter Alkoholeinfluß und sein anschließendes Bekenntnis, alkoholkrank zu sein, deutschlandweit für Schlagzeilen sorgte.

Gleich fünf Herausforderer wollten Schockenhoff nun beerben, nachdem im CDU-Kreisverband Ravensburg bis in die Funktionärsebene hinein in den vergangenen zwölf Monaten die Stimmung vorherrschte, daß die Ära Schockenhoff endlich zu Ende gehen müsse.

Nachdem bereits vor vier Jahren nur mit Hilfe massiver Unterstützung des hauptamtlichen Parteiapparats eine Abwahl Schockenhoffs durch den betont katholisch-konservativen Kandidaten Eugen Abler (er erreichte 41,7 Prozent) verhindert werden konnte, schien sein politisches Ende diesmal besiegelt. Neben dem bekannten Regionalpolitiker Eugen Abler hatte auch der schillernde Ex-Grünen-Haushaltsexperte Oswald Metzger seinen Hut in den Ring geworfen. Vor vier Jahren war Metzger – damals frisch in der CDU – nur um Haaresbreite mit seiner Bewerbung als CDU-Direktkandidat in zwei anderen oberschwäbischen Wahlkreisen gescheitert. Weiteren Rückenwind gab ihm, daß er vor zwei Jahren bei der Oberbürgermeisterwahl in Ravensburg in der Stichwahl immerhin 46,9 Prozent der Stimmen holen konnte. Als dritter nennenswerter Herausforderer trat Hans-Jörg Leonhardt, ein regional bekannter Gastronom und Kreisrat, hinzu.

Jeder dieser drei Herausforderer verfügte über ein beträchtliches Mobilisierungspotential. Der Gastronom Leonhardt startete in seinem Lokal „Stallbesen“ sogar eine Mitgliederwerbeaktion, die der Kreis-CDU wohl 170 neue Mitglieder bescherte. Im ersten Wahlgang brachten es die drei Herausforderer dann zusammen auch auf 58,2 Prozent der Stimmen, während Schockenhoff 27,8 Prozent erreichte. Dies war ganz sicher auch ein Denkzettel der Basis. Schließlich gab es in der Aussprache zur Bewerbungsrede Schockenhoffs gleich zwei Wortmeldungen, die ihm in Sachen Alkohol Rückfälligkeit vorwarfen. Ein Vorwurf, dem er mit dem Hinweis, für sich „einen klaren Schnitt gemacht“ zu haben und ansonsten mit dieser Krankheit natürlich lebenslänglich kämpfen zu müssen, auswich.

Wenn sich der Bundestagsabgeordnete im dritten Wahlgang schließlich mit 58 Prozent der Stimmen dennoch durchsetzen konnte, lag dies vor allem an der rhetorischen und inhaltlichen Schwäche des Herausforderers in der Stichwahl, Hans-Jörg Leonhardt. Selbst viele erklärte Schockenhoff-Gegner rangen sich vor diesem Hintergrund dazu durch, ihn doch wieder zu wählen. Bemerkenswert war, daß Oswald Metzger mit seiner eurorettungskritischen Rede bei der überwiegend deutlich älteren Basis auf wenig Resonanz stieß. Seine Unterstützer fanden sich diesmal in den dünnen Reihen der CDU-Mittelstandsvereinigung MIT. Vermutlich herrscht bei den zahlreichen betagten Mitgliedern die Hoffnung vor, dem Zusammenbruch der Staatsfinanzen in Europa zu ihren Lebzeiten noch aus dem Weg gehen zu können.

Einem ähnlichen Kalkül fiel der rührige konservative Herausforderer Eugen Abler zum Opfer: Immer wieder war in der Oberschwabenhalle zu hören, daß dieser einfach zu konservativ sei. Was wie der vorauseilende Gehorsam gegenüber der auf die Mitte schielenden Parteiführung in Berlin klingt, scheint letztlich das Geheimnis, warum es insgesamt in der Union immer weniger konservative Abgeordnete gibt: Wenn die CDU-Basis bereits bei der Kandidatenkür die Schere im Kopf hat, schaffen es von Mal zu Mal immer weniger Konservative nach Berlin.

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