© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/12 14. September 2012

Dem Französischen verpflichtet
Québec / Kanada: Nach dem Wahlsieg zeigt sich die Parti Québécois kampfbereit und versöhnlich zugleich
Oliver Seifert

Die Freude über ihren Wahlsieg dauerte nur kurz. Die Parteichefin der frankophonen, separatistischen Parti Québécois (PQ) und designierte Premierministerin Pauline Marois wurde während ihrer Siegesrede von Sicherheitsbeamten vom Pult gedrängt, um sie vor den Kugeln eines anglophonen Attentäters zu schützen. An die Englischsprachigen Quebecs gerichtet, sagte sie später: „Wir teilen die gleiche Geschichte und ich möchte, daß wir unsere Zukunft zusammen gestalten.“

Ein zweiter Wermutstropfen ist die Tatsache, daß ihre PQ (32 Prozent, 53 Sitze) nur eine Minderheitsregierung führen kann. Die Liberalen (31,2 Prozent, 50 Sitze), die gegenüber der Wahl 2008 mehr als zehn Prozentpunkte einbüßten, liegen einen Prozentpunkt hinter der PQ, die knapp drei Prozent dazugewann. Mit der neuen Coalition Avenir Québec (CAQ; 27 Prozent, 19 Sitze) und der Québec Solidaire (6 Prozent, 2 Sitze) zogen zwei weitere separatistisch angehauchte Parteien in das Landesparlament ein, die mit der PQ um die gleiche Wählerklientel konkurrieren.

In der Vergangenheit hat die PQ immer dann an Stimmen zulegen können, wenn sie sich auf Konfrontationskurs mit der Bundesregierung in Ottawa begab, und so wird dieser Regierungswechsel in Québec für den konservativen kanadischen Premier Harper eine Herausforderung darstellen. Aber auch Marois wird es nicht einfach haben, denn sie ist auf die Stimmen anderer Parteien im Parlament angewiesen. Die CAQ als drittstärkste Partei ist ein Sammelsurium aus Separatisten, Föderalisten und Nationalisten, die ein weiteres Referendum über die Unabhängigkeit Québecs für mindestens zehn Jahre aussetzen wollen. Die Québec Solidaire ist eine sozialdemokratische Partei mit ähnlichen Vorbehalten gegenüber einem Referendum zum gegenwärtigen Zeitpunkt.

Die PQ ihrerseits wird wie bisher auf eine Ausdehnung der Provinzrechte gegenüber Ottawa pochen. Betroffen sind davon sowohl innen- als auch außenpolitische Arenen, wie das Bestreben, Französischkenntnisse zur Vorbedingung für Einwanderung und das Bekleiden von politischen Ämtern zu machen. Auch reklamiert die PQ für Québec mehr Autonomie bezüglich der Arbeitslosenversicherung sowie der Finanzierung von Entwicklungshilfe.

Die Tatsache, daß Marois ohne die Unterstützung anderer Parteien nicht zu regieren vermag und die gegenwärtige Unterstützung für ein Referendum bei weniger als 30 Prozent liegt, sind allerdings nicht zu unterschätzende Stolpersteine, die ihr die Wähler nun in den Weg gelegt haben.

Hinzu kommen das signifikante Haushaltsdefizit und die erheblichen Landesschulden, die ihren politischen Handlungsspielraum einschränken werden. Auch wird sie wenig Unterstützung von anderen Provinzregierungen erhalten, die den Sonderansprüchen Québecs nicht viel Sympathien entgegenbringen.

Unter dem Strich wird das Wahlresultat für Québec weitaus weniger drastische Folgen haben, als der Regierungswechsel es vermuten lassen könnte, weil der Aktionsspielraum für alle Beteiligten sehr eingeschränkt ist. Freilich ist zu erwarten, daß der Ton zwischen Ottawa und Québec zuweilen unfreundlicher werden wird; andererseits kann Marois nicht das Ausmaß an politischer Legitimation in Anspruch nehmen, wie sie das gern gewollt hätte.

Doch Marois gibt sich kämpferisch und verweist auf den „beunruhigenden Rückgang“ des Französischen in den Regionen Montreal und Outaouais und betont diesbezüglich die Wichtigkeit der vor der Wahl propagierten Verschärfung des Sprachgesetzes 101. „Ich bin sicher“, zeigt sich Marois optimistisch, daß man hier eine gemeinsame Basis finden werde.

Foto: Die Parti Québécois und ihre Vorsitzende Pauline Marois: Die „Zukunft zusammen gestalten“

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