© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/12 14. September 2012

Ökonomen und Politiker wollen den Euro mittels Inflation retten
Zwei Prozent plus X
Bernd-Thomas Ramb

Schon die ursprüngliche Definition der Preisstabilität, die von der Europäischen Zentralbank (EZB) 1998 als Maßstab ihrer Geldpolitik angekündigt und 2003 bestätigt wurde, ist eine Farce: „Preisstabilität ist definiert als Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) für das Euro-Währungsgebiet von unter zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr.“ Tatsächlich ist Preisstabilität nur dann gegeben, wenn sich der HVPI nicht verändert. Höhere Festlegungen als Null kaschieren nicht nur die Gefahren, die von einer Preisinflation ausgehen, sie kündigen geradezu die Absicht an, die Preise steigen zu lassen.

Ob die EZB ihre Zielvorgabe von zwei Prozent in den ersten zehn Jahren ihres Bestehens überhaupt eingehalten hat, ist fraglich, denn das hängt von der statistischen Basis des HVPI ab. Die Bürger verspüren den Preisanstieg der für sie bedeutsamen Güter wesentlich höher als zwei Prozent. Bei Benzin, Heizöl, Strom oder Gas ist dies sogar faktisch der Fall. Was nützt da die Gegenrechnung mit einem Preisverfall bei PCs und Fernsehern?

Die Inflationsdiskussion bekommt nun zunehmende Bedeutung nach den tsunamihaften Geldschwemmen der EZB. Billionenkredite für insolvente Banken, klammheimliche Geldvermehrung durch systematisch erzwungene interstaatliche Dispokredite namens Target2 (JF 18/12) und nun der betragsmäßig nach oben offene Ankauf maroder Staatsschuldentitel. All das führt zu einer letztlich von der EZB nicht mehr kontrollierbaren Geldmengenausweitung. Wer Euro-Milliarden braucht, bestellt sie einfach in der gewünschten Höhe bei der Euro-Druckerei. Kein Wunder, daß der Bundesbank bei dieser skandalösen Politik die Haare zu Berge stehen.

Natürlich wissen alle Beteiligten, auch die Politiker, daß diese Geldflut über kurz oder lang zu Preisanstiegen führen muß, die dann auch die EZB nicht mehr kleinrechnen kann. Schon wird die Bevölkerung vorsorglich darauf vorbereitet, indem Inflationsraten von vier Prozent als doch eigentlich gar nicht so schlimm verharmlost werden. Andere halten auch noch höhere Geldentwertung für verkraftbar, wenn sie nur vorübergehend ist. So kann nur jemand argumentieren, der wie Beamte oder Politiker erfahrungsgemäß mit einem lebenslangen inflationsgeschützten Einkommen rechnen kann.

Bei Lohnempfängern (und damit indirekt verbunden Rentnern) und Selbständigen gilt dies jedoch nur, wenn die Preis-Lohn-Spirale funktioniert. Die Inflation der Preise ernährt dann die Inflation der Löhne und Gewinne und schraubt sich immer weiter in die Höhe. Auf der Strecke bleiben die Sparer, die für ihren Lebensabend selbst vorsorgen wollen. Bei vier Prozent dauerhafter Inflation sind ihre Ersparnisse nach 17 Jahren auf die Hälfte ihres Wertes zusammengeschrumpft. Wer Inflation gut findet, will den unmündigen und von der Staatsversorgung abhängigen Bürger. Auf Armutsniveau.

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