© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/12 14. September 2012

Vorherrschaft nur als Zahlmeister
Der frühere FDP-Politiker Heiner Kappel über Deutschlands Rolle in Europa / Trotz geleisteter Milliardentransfers nehmen antideutsche Ressentiments zu
Ansgar Lange

Schon mit dem Titel „Geldkrieg statt Weltkrieg“ will der frühere FDP-Politiker Heiner Kappel provozieren. Er sieht Deutschland weiter als besetztes Land, dessen Schicksal von den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges diktiert wird. Eine harte D-Mark und das wiedervereinigte Deutschland seien England, Frankreich und Amerika zuviel gewesen. Daher wurde die D-Mark dem Euro geopfert. Glaubt man Kappel, dann ist der Weg in die Transferunion schon von langer Hand geplant.

In der Tat tun Super-Europäer wie Jean-Claude Juncker alles, um ein solches Weltbild zu zementieren. Seine Empfehlung an die Deutschen lautet: Haltet endlich die Klappe und zahlt ohne Murren. Denken in Alternativen stört dabei nur. Angela Merkel muß sich von den ehemaligen Siegermächten wieder und wieder anhören, daß ihr Einsatz für die Stabilisierung des Euro viel zu lasch ist und Deutschland noch wesentlich mehr Geld aufbringen sollte. Mario Monti, immer noch nicht demokratisch gewählter Ministerpräsident Italiens tutet in das gleiche Horn wie die stolzen Sieger.

Der Autor sieht Deutschland vor allem in der historischen Rolle des Zahlmeisters. So sei unser Land im „Friedensdiktat“ von Versailles so zurechtgestutzt worden, wie man es schon immer haben wollte. Das Gold, das Deutschland damals besaß, „wanderte als Reparationszahlung mit den Jahren nach England und Frankreich und von dort zu deren Schuldentilgung in die USA“. Kappel schreibt gegen die herrschende Lehre an, wenn er Deutschlands Alleinschuld an der Entstehung der Weltkriege bestreitet.

Die Absichten der späteren Siegermächte seien alles andere als altruistisch gewesen. Kappel zitiert aus einem Artikel, der am 16. September 1989 in der englischen Zeitung Sunday Correspondent erschienen ist: „Wir sind 1939 nicht in den Krieg eingetreten, um Deutschland vor Hitler oder die Juden vor Auschwitz oder den Kontinent vor dem Faschismus zu retten. Wie 1914 sind wir für den nicht weniger edlen Grund in den Krieg eingetreten, daß wir eine deutsche Vorherrschaft in Europa nicht akzeptieren konnten.“

1945 war Deutschland wieder da, wo man es haben wollte: „Deutschland sollte nicht nur auf das Niveau eines Agrarlandes zurechtgestutzt werden; auch das Denken, Wollen und Sinnen sollte einer gründlichen Sanierung zugeführt werden. Das Ganze nannte man Reeducation – Umerziehung.“ Etwas holzschnittartig – schließlich will Kappel aufrütteln und provozieren – beschreibt er, wie die Sieger daran arbeiteten, daß ein tiefes Schuldgefühl das Reden, Handeln und Denken der Besiegten prägen sollte. Heute zeige sich nach über sechzigjähriger „intensiver geistiger und seelischer Indoktrination“, daß der Erfolg dieser Bemühungen überwältigend gewesen sei.

Als Deutschland dann die Wiedervereinigung bekam und die Bürger aus der DDR auch nach der harten D-Mark verlangten, war dies zuviel für die Sieger. Der französische Präsident Francois Mitterrand erklärte gegenüber Kanzler Kohl die Abschaffung der nationalen Währung und die Einführung des Euro daher zu einer Frage von Krieg und Frieden.

Mittlerweile ist das Kind in den Brunnen gefallen. Der Euro ist in einer schweren Krise, alte nationalistische Ressentiments – vor allem gegenüber den Deutschen – feiern gerade heute wieder unfröhliche Urständ. Dabei gab es vor Einführung des Euro genügend kritische Stimmen, die deutlich machten, daß eine Währungsunion ohne Fiskal-, Sozial- und Wirtschaftsunion zu riskanten Spannungen zwischen den wirtschaftlich so ungleichen Teilnehmerstaaten führen mußte: „Einer der Dobermänner, der schon damals alle ernst gemeinten Argumente und deren Vertreter aus dem Felde biß, war der heutige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble“, so Kappel.

Nach dem Motto „Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende“ müsse auch die Möglichkeit von Staats- und vor allem Bankenpleiten in Kauf genommen werden. Kappel will die Deutschen zum Widerstand gegen eine Politik aufrufen, die dezidiert gegen deutsche Eigeninteressen gerichtet ist. Die Bürger dürften zu diesem Widerstand inzwischen wesentlich eher bereit sein als ihre gewählten Politiker, denn sie haben Angst um ihren Besitz, um ihre Renten und Pensionen, um den Frieden in Europa und vor der Zukunft. Denn Deutschlands Rolle als Geldgeber ist endlich, genauso wie die wirtschaftlichen und sozialen Ressourcen des Landes.

Heiner Kappel: Kapiert’s endlich! Geldkrieg statt Weltkrieg. Gerhard Hess Verlag, Bad Schussenried 2012, broschiert, 64 Seiten, 6,99 Euro

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