© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/12 14. September 2012

Haltungsnote
Der Ball ist braun
Christian Schwiesselmann

Die Soziologie gehört zu den Wissenschaften, die sich jeden Gegenstand aneignen kann – sogar Fußball. Dieser akademische Imperialismus eröffnet ungeahnte Forschungsfelder für Soziologen wie Gunter A. Pilz, der seit Jahren den Kicker mit Infos über gewaltbereite, wahlweise rechtsextreme oder homophobe Fans füttert. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) ehrte den vollbärtigen Honorarprofessor, der seit 2006 die AG „Toleranz und Anerkennung gegen Rassismus und Diskriminierung“ des Deutschen Fußball-Bundes leitet, kürzlich mit dem DOSB-Ethikpreis. Pilz gehöre zu den wenigen, raspelte Ex-EKD-Ratschef Wolfgang Huber in seiner Laudatio mächtig Süßholz, die sozialwissenschaftliche Forschung über „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ (Wilhelm Heitmeyer) wie homophobe und sexistische Diskriminierung auf den Sport bezögen.

Freilich mußte der 1944 in Baden-Baden geborene Pilz in den über 30 Jahren Fußballforschung am sportwissenschaftlichen Institut der Leibniz-Universität Hannover umlernen. Als er 1981 mit einer entwicklungssoziologischen Studie über „Wandlungen der Gewalt“ im Sport promovierte, waren stets deutsche Hooligans und Ultras die Krawallmacher. Heute gehe mit der wachsenden „Begeisterung“ ausländischer Mitbürger für den Fußballsport eine Zunahme gewalttätiger Auseinandersetzungen einher. Für Pilz sind weder das „hitzigere Temperament“ der „Südländer“ noch Benachteiligungen durch Schiedsrichter Ursache, eher ungleiche Teilhabe und Fremdenfeindlichkeit. „Der Sport ist Austragungsort eines sozialen Konfliktes, in dem Mehrheitsgesellschaft und Migranten um die Veränderung der sozialen Rangordnung, die Verteilung von Ressourcen und die Anerkennung kultureller Normen kämpfen“, weiß der Experte. Sein Ball ist nicht rund, sondern braun.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen