© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/12 14. September 2012

Klaus Regling. Der Deutsche kontrolliert den mächtigsten Finanz-Mechanismus der Welt
Doktor Frankenstein
Arnulf Rall

Den Euro in seinem Lauf, halten weder Ochs noch Esel auf.“ Das könnte frei nach Erich Honecker etwas anspruchsvoller formuliert auch von Klaus Regling stammen: der Triumph des politischen Willens über die widrige wirtschaftliche Realität. Der Mann hat Prinzipien, er glaubt nach wie vor und kämpfte jahrzehntelang für die Euro-Währung als eine Art europaweite, harte Deutschmark.

Mit 41 Jahren galt er 1992 mit der Unterzeichnung des Maastrichter Vertrages und als Koautor des Stabilitätspaktes im Finanzministerium als einer der vielen Väter des Euro. Zwanzig Jahre später muß Regling als Chef des bislang vorletzten Rettungsschirms – des 440 Milliarden Euro schweren EFSF –, der binnen Jahresfrist zu einem europäischen Wahrungsfonds namens ESM mutieren wird, die komatöse Mißgeburt an eine Eiserne Lunge anschließen. Auch diesem, auf 700 Milliarden aufgestockten „Mechanismus“ soll er nun vorstehen, denn die hirntote Währung darf nicht sterben.

Der schmächtige, zurückhaltende und uneitle 61jährige wurde 1950 in Lübeck geboren, studierte in Regensburg die Ökonomie und wurde als Jünglingswunder mit 25 Jahren Mitarbeiter des IWF in Washington. Die nächsten zwei Jahrzehnte verbrachte er im steten Wechsel zwischen dem IWF und den internationalen Abteilungen des Finanzministeriums. Dort stieß er, zuvor von Theo Waigel (CSU) protegiert, anno 1998 mit Oskar Lafontaine und dessen Einflüsterer Heiner Flassbeck zusammen, die die Weltwirtschaft mit weiteren Staatsschulden zu kurieren suchten. „Lafo“ versetzte den widerborstigen Währungshüter in den einstweiligen Ruhestand, und der brave Währungsbeamte heuerte bei dem aggressiven Hedgefonds Moore Capital an, um die andere Seite der Medaille kennenzulernen.

Als 2001 in der EU-Kommission die Stelle des Generaldirektors für Wirtschaft und Finanzen frei wurde, drückte Kanzler Schröder den beherzten Gegner und Opfer seines Erzfeindes Lafontaine auf diesen Posten. Doch Regling nahm sein neues Amt als Hüter der Euro-Stabilität so ernst, daß er Schröder, der sich um das „Gedöns“ der EU-Verträge nicht scheren wollte, den berühmten „Blauen Brief“ aus Brüssel schrieb und vor dem Europäischen Gerichtshof verklagte. Damit wurde Regling in Berlin zur Unperson.

Doch auch in Brüssel wurde Regling nicht recht heimisch. Nachdem er turnusgemäß 2008 seinen EU-Posten rotieren mußte, eröffnete er wie viele EU-Pensionäre lieber sein eigenes Beratungsbüro „KR Economics“. Doch schon ein Jahr später, in der Stunde der Euro-Not, besann sich die Kanzlerin des gestrengen Euro-Schöpfers. Seither sitzt Regling auf dem Luxemburger Kirchberg als Herrscher über den EFSF-Notfallfonds, für den jeder Deutsche mit 1.850 Euro haftet. Und wenn er nun zum ESM aufgestockt wird, ist jeder von uns mit 2.400 Euro dabei.

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