© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/12 21. September 2012

„Geschmacklose Dämlichkeit“
Meinungsfreiheit: Politiker diskutieren über ein mögliches Aufführungsverbot des Mohammed-Videos in Deutschland
Felix Krautkrämer

Der Zentralrat der Muslime hat ein Problem: Auf der einen Seite ruft der Verband alle Moslems in Deutschland dazu auf, sich durch den umstrittenen Mohammed-Film „Die Unschuld der Moslems“ nicht provozieren zu lassen, auf der anderen Seite kündigt er aber auch gleich an, sollte der Film hierzulande öffentlich gezeigt werden, würden sich wohl nicht alle Anhänger des islamischen Glaubens an diese Mahnung halten.

Es sei denkbar, daß es in diesem Fall auch in Deutschland zu Straßenschlachten komme, warnte der Vorsitzende des Zentralrats, Aiman Mazyek, in der ARD und offenbarte damit eher unfreiwillig das Dilemma, vor dem Islamvertreter in Deutschland regelmäßig stehen: Entweder zweifeln sie selbst am Einfluß, den ihre Organisation nach eigenen Angaben auf die islamische Gemeinschaft hat, oder aber an der von ihnen immer wieder beschworenen Friedfertigkeit eben jener.

Auf die will sich offenbar auch die Bundesregierung nicht verlassen. Nachdem bekanntgeworden war, daß die Partei Pro Deutschland plant, den Film im November in Berlin aufzuführen, kündigte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) umgehend an, mit allen rechtlich zulässigen Mitteln dagegen vorzugehen. Pro Deutschland gehe es darum, auch in der Bundesrepublik Islamisten zu provozieren, sagte Friedrich dem Spiegel. Damit gieße die Partei „grob fahrlässig Öl ins Feuer“.

Unterstützung bekam der CSU-Politiker dabei von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Es müsse geprüft werden, ob eine Aufführung des Films die öffentliche Sicherheit erheblich stören könne, erläuterte Merkel am Montag in Berlin. „Ich kann mir vorstellen, daß es gute Gründe für ein Verbot gibt.“ Ihrer Ansicht sei es aber nicht möglich, den Film an sich in Deutschland zu verbieten.

Das sieht der innenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stephan Mayer, anders. Er brachte eine mögliche Indizierung des Mohammed-Videos durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien in die Diskussion ein.

Seiner Meinung nach belegten die massiven Ausschreitungen gegen staatliche Einrichtungen in mehreren islamisch geprägten Ländern die verheerende Wirkung des Films. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) stand einem möglichen Verbot dagegen kritisch gegenüber. „Es wäre falsch, jetzt tatsächlich über Gesetzesänderungen zu sprechen und unsere Meinungsfreiheit, unsere Kulturfreiheit in irgendeiner Weise einzuschränken“, mahnte er gegenüber dem Fernsehsender Phoenix. Das sei genau das, was die Extremisten wollten.

Bedenken kamen auch aus der Opposition: „Eine bloße außenpolitische Rücksichtnahme reicht nicht aus, die Grundrechte zu beeinträchtigen“, sagte der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz der taz. Verbote könnten nur das letzte Mittel sein. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Bundestagsfraktion, Volker Beck, meldete ebenfalls Bedenken an einem Aufführungsverbot an. Für einen solchen Schritt fehle die Grundlage. Soweit er es gesehen habe, sei der Film eine „geschmacklose Dämlichkeit“, aber ohne strafbaren Inhalt.

Daß es rechtlich problematisch sein dürfte, den Film oder seine Vorführung zu verbieten, teilte auch Berlins Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD). Die Ehefrau des Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, appellierte daher an die Kinobetreiber in der Hauptstadt, der „antimuslimischen Hetze keinen Raum zu bieten“.

Offenbar mit Erfolg: „Wir haben jetzt schon die wichtige Rückmeldung, daß es für Pro Deutschland schwierig sein wird, einen Kinobetreiber zu finden“, berichtete Kolat dem Rundfunk Berlin-Brandenburg. Da eine öffentliche Ausstrahlung juristisch nicht zu verhindern sei, suche die Partei zwar weiter nach Ausweichmöglichkeiten, es gehe aber darum, es den „Provokateuren“ von Pro Deutschland „so unbequem wie möglich“ zu machen, sagte die SPD-Politikerin.

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