© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/12 21. September 2012

Lockerungsübungen
Wechsel der Paradigmen
Karl Heinzen

Gerade einmal 100 Tage nach ihrem Amtsantritt sind Anshu Jain und Jürgen Fitschen als neue Doppelspitze der Deutschen Bank bereits aus dem langen und düsteren Schatten ihres Vorgängers herausgetreten. Josef Ackermann inszenierte sich als protzige Verkörperung eines skrupellosen Raubtierkapitalismus und hat damit zum Imageverlust seiner Branche insgesamt wesentlich beigetragen. Versagen ist ihm aber nicht nur in der Kommunikation mit Kunden und Öffentlichkeit vorzuwerfen. Auch in der nüchternen Unternehmenssteuerung traten Mängel zutage. Großspurig proklamierte Ackermann Gewinnziele, die als illusorisch anzusehen waren, und er nahm dabei Risiken in Kauf, die die langfristige Ertragskraft des Unternehmens schwächen könnten. Unter ihm erblühte eine Kultur der Selbstbedienung, in der sich Top-Manager durch Boni-Zahlungen schamlos bereichern durften.

Damit soll nun, so verkündeten Jain und Fitschen auf ihrer ersten gemeinsamen Pressekonferenz, Schluß sein. Die neue Devise der Deutschen Bank lautet Bescheidenheit. Statt einer Rendite von 25 Prozent vor Steuern wird nur noch eine von zwölf Prozent nach Steuern angestrebt. Man möchte Aktiva, die besondere Risiken bergen, zügig abbauen und den hohen Anteil des Investmentbankings am Ertrag zurückfahren. Verschärft werden auch die Boni-Regeln: Aktien als variable Gehaltskomponente erhalten Top-Manager in Zukunft erst nach fünf Jahren auf einen Schlag und nicht mehr Zug um Zug innerhalb von drei Jahren.

Mit diesem Paradigmenwechsel trägt die Deutsche Bank dem Entwicklungsstand der marktwirtschaftlichen Ordnung Rechnung. In ihr stehen die Profitraten unter Druck, und die Versuche, diesen Trend mit Hilfe der Finanzmärkte abzuwenden, erweisen sich als nutzlos, da sie lediglich in immer neue Blasen münden. Die Investoren müssen sich daher damit abfinden, daß ihre Rendite fortwährend schrumpft. Sie haben allerdings die Möglichkeit, dies vorübergehend dadurch zu kompensieren, daß sie sich an den Managern schadlos halten. Diese werden nicht nur Abstriche an ihren Gehaltserwartungen machen, sondern sich auch in eine neue Rolle fügen müssen. Mögen sie auch das Zigfache von ihren einfachen Mitarbeitern verdienen: Solange ihnen das Unternehmen nicht gehört, sind sie Arbeitnehmer wie diese auch.

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