© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/12 21. September 2012

Konsequenz aus Fukushima
Japan beschließt Atomausstieg / Teure Suche nach Alternativen / Revision nach Neuwahlen?
Albrecht Rothacher

Die Neuwahlen fest im Blick hat die japanische Regierung dem Druck der öffentlichen Meinung nachgegeben: Per Kabinettsbeschluß dekretierte sie den Atomausstieg bis 2040. Dann sollen alle fünfzig AKW abgestellt und keine neuen mehr gebaut werden. Das Ganze ist aber nur eine Entscheidung der aktuellen Ministerrunde, der Ausstieg kann von einer Nachfolgeregierung wieder kassiert werden. Diese dürfte nach der erwarteten Wahlniederlage der Demokraten (DPJ) wohl wieder von einer Koalition unter Führung der konservativen Atompartei LDP gestellt werden.

Der geplante Ausstieg hat es in sich: Japan hat noch nie einen Atommeiler vom Netz genommen und zerlegt. Alte Anlagen wie Fukushima Daiichi bekamen nach Revisionsarbeiten bislang einfach den Lebenszyklus verlängert – ihr Strom war ja so reichlich und billig. Es gibt in Japan bislang keine Atommüll­endlager. Die größte Gefahr im havarierten Fukushima geht nicht länger von den durchgeschmolzenen Reaktoren, sondern von den 1.500 abgebrannten Brennstäben aus, die in Wasserbecken in den vom Erdbeben angeschlagenen Hallen notdürftig weiter gekühlt werden und bei schweren Störungen außer Kontrolle brennen könnten. Der schnelle Brüter in Monju und Wiederaufbereitungsanlagen in Rokkasho sollten alles richten, doch die hochkomplexen Anlagen haben auch in Japan nie recht funktioniert. Heute sind die Konzepte politisch mausetot.

Japan ist nach den USA und China der drittgrößte Stromverbraucher der Welt. Bis zum 11. März 2011 war fast ein Drittel des Stroms Atomstrom. Zwischenzeitlich wurden alle AKW zwecks Wartung abgeschaltet. Dank Sparens – weniger Beleuchtung, ausgeschaltete Klimaanlagen, energieintensive Industriearbeit auf Wochenenden und Nachtstunden verlegt – gelang es, den Stromverbrauch um 15 Prozent zu drosseln. Doch das genügte nicht. Japan muß massiv Öl und Flüssiggas importieren, um stillgelegte und neugebaute konventionelle Kraftwerke zu befeuern. Die Klimaschutzziele werden dabei ebenso zum Schornstein hinausgejagt, wie der positive Saldo der Handelsbilanz, der deshalb erstmals seit 30 Jahren rote Ziffern zeigt.

Von den in Deutschland propagierten und hochsubventionierten erneuerbaren Energien hält Japan weiter wenig. Alle machbaren Staudämme zur Nutzung der Wasserkraft sind bereits gebaut. Sonne, Wind und die Erdwärmenutzung gelten trotz vieler Versuchsanlagen nach wie vor als noch zu unwirtschaftlich, unergiebig und unzuverlässig. Auch wäre der enorme Landschaftsverbrauch in dieser dichtbesiedelten Inselnation viel zu massiv. Zwar demonstrieren weiter jeden Freitagabend Tausende Japaner vor der Residenz des Premiers gegen den Atomstrom. Dennoch scheint in Japan der Ausstieg aus dem Ausstieg angesichts seiner undurchdachten Folgen früher oder später unausweichlich.

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