© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/12 28. September 2012

Alexander Görlach bringt den liberalkonservativen The European jetzt an die Kioske
Bedingt inkorrekt
Michael Martin

Wer Erfolg hat, bei dem sind die Neider bekanntermaßen nicht weit. Vor allem, wenn man einen Hang zur Selbstinszenierung hat. In Talkshows ist er gerne vorlaut, oberlehrerhaft und erinnert ein wenig an Michel Friedman. Weshalb Alexander Görlach von Spöttern als „Dr. Dr.“ und „erfolgloser Bild-Kolumnist“ bezeichnet wird. Der 35jährige Herausgeber des deutschsprachigen Internetmagazins „The European“ polarisiert gerne. „Wer sagt, Print seit tot?“ fragte er seine Leser vor einigen Wochen und gab gleich die Antwort: Einer Studie zufolge zögen zum Beispiel 88 Prozent der britischen Leser gedruckte Magazine deren digitaler Version vor. Für Görlach der Startschuß zur Printoffensive.

Vom 27. September an soll es The European nun auch am Kiosk geben. Viermal pro Jahr, mit einer Auflage von 50.000 Stück. Mit diesem Coup plant der Ex-Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung den nächsten Karriereschritt. Nach Studienabschlüssen in Katholischer Theologie und Philosophie sowie Germanistik-, Politik- und Musikwissenschaften und einer doppelten Promotion verdiente sich der Ludwigshafener erste Sporen beim ZDF. Anschließend arbeitete er für die Welt, machte Pressearbeit für die CDU/CSU-Fraktion im Reichstag und verantwortete schließlich das On-line-Ressort des Magazins Cicero.

Als er 2009 das liberalkonservative Blatt verließ, um mit dem European sein eigenes Ding zu machen, weckte er bei manchem Konservativen Erwartungen, war er doch zuvor als Pressesprecher des studentisch-katholischen Cartellverbands linken Zeitgenossen ein Dorn im Auge. Zudem attestierte er dem neuen Cicero-Chef Michael Naumann, einem ausgewiesenen Vertreter der „Kaviar-Linken“, dem Blatt einen Linksruck verpaßt zu haben.

Görlach schreibt Kolumnen in der Bild und spricht im Nachrichtensender N24 lautstark Klartext. Und auf seiner Internetseite kommt ein Ringelreihen von Prominenten zu Wort. The European ist kein Nachrichtenmagazin, sondern will von Debatten, Meinungen und Kolumnen leben. Manches davon ist abseits vom Mainstream, so wenn ein Autor einen Artikel über einen Gefängnis-Gebetsraum mit den Worten „Schlampen dürfen hier nicht beten“ überschreibt. Auch der europäische Rettungsschirm bekommt immer wieder sein Fett weg. Und die abweichenden Meinungen zum Syrien-Konflikt sind regelrecht wohltuend. Andererseits sprechen Autoren wie Renate Künast, Jörg Armbruster oder Dortmunds Fußballboß Hans-Joachim Watzke nicht gerade für eine Distanz zum Establishment. Und bei genauerem Hinsehen finden sich auch immer wieder ermüdende Rückgriffe auf politisch korrekte Argumente. Trotzdem liest sich der European mit Gewinn und man ist gespannt, ob es ihm gelingen wird, sich an den Kiosken zu bewähren.

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