© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/12 28. September 2012

„Wir lassen das nicht zu“
Islam: Demonstrationen gegen Mohammed-Film
Henning Hoffgaard

Erst ist es nur eine, dann zwei, zehn, zwanzig. Am Ende wehen Dutzende islamische Fahnen in der Dortmunder Innenstadt. Die meisten zeigen arabische Schriftzeichen, Koransuren und Lobpreisungen des Propheten Mohammed. Was genau darauf steht, ist auch so manchen Anwesenden unklar. „Die Fahne hier hat mir so ein Ordner in die Hand gedrückt“, meint ein Demonstrant in gebrochenem Deutsch. Was draufsteht? „Das weiß ich nicht!“ Ein anderer Teilnehmer ist besser informiert: „Wir folgen unserem Propheten, steht da.“ Zumindest eines wissen alle: Sie sind am vergangenen Sonnabend nach Dortmund gekommen, um ihrer Wut und ihrer Abscheu Ausdruck zu verleihen. „Stoppt den Film, stoppt den Film“, rufen die Moslems immer wieder und meinen damit das knapp 15 Minuten lange Youtube-Video „Die Unschuld der Muslime“, das in einigen islamischen Ländern zu teilweise gewaltätigen Auseinandersetzungen führte.

Auch in Deutschland nimmt der moslemische Protest gegen den Film seit Tagen zu. Waren in Freiburg und Münster am Freitag vergangener Woche jeweils 600 bis 800 Moslems auf die Straßen gegangen, sind es in Dortmund bereits mehr als 1.200. Die Sprechchöre sind genau vorgegeben und müssen teilweise vom Blatt abgelesen werden. „Allahu Akbar“ schallt es, „Islam ist Frieden“, „Christentum ist Frieden“ und schließlich, etwas leiser, „Judentum ist Frieden“. Die Organisatoren wollen damit deutlich machen: Hier soll nicht nur gegen die Beleidigung des Islam protestiert werden. Es gehe ihnen um den „Schutz aller drei Buchreligionen“, wie es in einem Aufruf heißt.

Den islamischen Charakter bekommt der Protestmarsch spätestens, als sich die Demonstranten formieren. Vorne laufen die Frauen mit Kinderwagen, dann die Frauen ohne Kinder und schließlich, strikt getrennt, die Männer. „Es ist wie in der Moschee“, sagt ein Teilnehmer.

Die Hintermänner des Films stehen für viele längst fest: „Warum beleidigen uns die Juden“, ruft die Teilnehmerin. Das Video sei eine Frechheit, die Macher müßten „hart bestraft werden“. Daß der Film in Deutschland noch zu sehen ist, sei eine schwere Beleidigung. Auch einige Salafisten sind gekommen. Reden wollen sie allerdings mit niemandem. Als einer von ihnen sich unter den Augen der Polizei vermummt, stürmen sofort drei Ordner herbei und reden solange auf ihn ein, bis er sich das Halstuch widerwillig wieder aus dem Gesicht zieht.

Bilder wie in Bonn, wo im Frühjahr Dutzende Salafisten versuchten, eine Veranstaltung der Bürgerbewegung Pro NRW zu stürmen und dabei 29 Polizisten zum Teil schwer verletzt hatten, sollen auf jeden Fall verhindert werden. Dieses Ziel hat auch die Dortmunder Polizei, die unter anderem mit berittenen Kräften vor Ort ist, sich ansonsten jedoch zurückhält. Zum Demonstrationsanmelder macht sie keine Angaben. „Eine Privatperson“, sagt ein Polizeisprecher der JUNGEN FREIHEIT. Die Dortmunder Moscheegemeinden beteiligten sich nicht an der Kundgebung. Einige Demonstranten sind darüber sichtlich verärgert. „Der Film ist ein Angriff auf uns alle. Wir sind ein Blut und alle Muslime.“

Der etwa einstündige Marsch erreicht schließlich den Platz vor der Reinoldikirche. Nach einem kurzen Gebet werden einige Reden gehalten. Die Forderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, den Film nicht zu zeigen, findet großen Applaus. Man werde nun „recherchieren“, welche Politiker sich dem anschließen und das Ergebnis „bis zum Tod“ nicht vergessen. „Wir sind keine kleine Minderheit mehr“, ruft ein Redner. Die Moslems in Deutschland hätten schon so viel ertragen müssen. Kopftuchdebatte, Sarrazin und Mohammed-Karikaturen. „Wir lassen das nicht mehr zu!“

Solche Töne stoßen bei einigen Passanten auf wenig Gegenliebe. „Die haben doch schon fast alles. Islamunterricht bekommen die jetzt ja auch noch“, empört sich eine ältere Dame. „Wissen Sie, ich bin Christin. Wieso sollte ich irgendeinen Propheten, den ich gar nicht anerkenne, respektieren?“ Sichtbar erzürnt verläßt sie den Platz vor der Kirche. Wenige Meter weiter streiten ein Anwohner und ein moslemischer Demonstrant über ein Verbot des Films. Schließlich gibt der Dortmunder auf. „Sie haben recht, und ich habe meine Ruhe.“Die Antwort ist kurz: „Ich weiß nicht, ob Sie ihre Ruhe bekommen werden“, sagt sein moslemischer Gegenpart.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen