© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/12 28. September 2012

Vorstände der Göttinger Gruppe von Untreue freigesprochen
Nur ein Formaldelikt
Matthias Görtz

Die gut eine Milliarde Euro, die insgesamt mehr als eine Viertelmillion Sparer dem insolventen Finanzkonzern „Göttinger Gruppe“ zur Altersvorsorge anvertraut hatten, sind endgültig futsch. Das Landgericht Braunschweig hat vorige Woche zwei Ex-Vorstände des insolventen Finanzkonzerns Göttinger Gruppe vom Vorwurf der Untreue freigesprochen. Verurteilt wurden sie lediglich wegen eines falschen Prospektes, also nur wegen eines „Formaldelikts“, wie die Richterin erklärte.

Von den 4.500 Euro Geldstrafe müssen wegen der Verfahrensverzögerung nur 3.600 Euro gezahlt werden. Die Geschädigten seien selber schuld: Sie hätten versäumt, sich den dicken Prospekt des Fonds, in den sie anlegten, durchzulesen. Jahrelang hatte die „Göttinger Gruppe“ mittels Tochterunternehmen Anlagen zur Altersvorsorge in Form einer sogenannten atypischen stillen Beteiligung („Securente“) verkauft. Dabei wurden die Anleger nicht nur am Gewinn beteiligt, sondern sie haften über ihre Einlage hinaus auch für Verluste. 2011 wurde dieses „Geschäftsmodell“ zwar behördlich verboten – doch da war das Anlegergeld längst weg, sprich: Es lag bei jemand anders auf dem Konto.

Ähnliche Fälle gibt es viele, und die Euro-Krise liefert frische Verkaufsmunition für noch dubiosere Anlagen. Angesichts niedriger Zinsen auf dem Kapitalmarkt, der Inflationsgefahr durch die Geldflut der Zentralbanken und der grassierenden Angst vor Altersarmut dürften bald noch gewagtere „Altersvorsorgemodelle“ auf den Markt drängen. Am Ende geht die naive Masse leer aus, während einige wenige sich eine goldene Nase verdienen. Selbst bei vermeintlich seriösen Banken ist Vorsicht angeraten – die berüchtigten „Lehman-Zertifikate“ wurden Rentnern andreht, denen man zuvor die Auflösung ihres geringverzinsten Sparbuches empfohlen hatte. Die Verkaufsprovision kassierten die Banken, die Verluste trug der Anleger. Wer vor zehn Jahren hingegen auf Gold gesetzt hat, konnte seinen Einsatz inzwischen vervierfachen.

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