© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/12 28. September 2012

Handeln ohne Haftung
Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler: Zum 40. Mal werden haarsträubende Beispiele öffentlicher Verschwendung angeprangert
Christian Schreiber

Palmen in Deutschland? Eine brillante Idee, so haben es sich einige Herrschaften der Hamburger Bezirksverwaltung Rahlstedt gedacht. Dumm nur, daß die Kommunalpolitiker die Rechnung ohne den Wettergott gemacht haben. Denn die Gewächse gedeihen bevorzugt in tropischen und subtropischen Klimazonen. Dennoch kauften die Hanseaten großzügig ein, orderten im Wert von 15.000 Euro. Doch die Palmen überlebten den norddeutschen Winter nicht. Daran konnte auch ein später in Auftrag gegebenes Gutachten nichts mehr ändern.

15.000 Euro hier, 500 Milliarden dort. Insgesamt betragen die deutschen Haftungsrisiken für die europäischen Rettungsschirme schon jetzt soviel. „Peanuts“, würde der ehemalige Deutsche-Bank-Chef Hilmar Kopper wohl zu dem Hamburger Malheur sagen. Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler (BdSt), widerspricht solchen Relativierungen energisch: „Die Vertreter des Staates und auch die Bürger dürfen niemals vergessen, daß jeder Euro Steuergeld zunächst durch die Bürger verdient werden muß, bevor er zur treuhänderischen Verwendung in die Kassen des Staates gegeben wird.“

Für den BdSt läßt sich bei der Auswahl der Beispiele nicht durch die Höhe der Schadenssumme leiten. „Vielmehr steht die Tatsache im Mittelpunkt, daß an vielen Stellen noch immer äußerst sorglos mit Steuergeld umgegangen wird“, sagte er anläßlich der Vorstellung des „Schwarzbuches 2012“. Seit nunmehr 40 Jahre gibt der Verband dieses Dossier heraus und dokumentiert die größten Sündenfälle von Verschwendung öffentlicher Gelder. Wenn man sich durch die Darstellung der 119 aufgelisteten „Schandtaten“ durcharbeitet, könnte man lachen, wenn es nicht so traurig wäre. „Sie sind in den wenigsten Fällen auf Mutwillen zurückzuführen. In aller Regel sind sie auf Naivität und Unvermögen oder auch schlicht auf Vorschriften zurückzuführen“, sagt Holznagel. Ganz oben auf der Liste finden sich erwartungsgemäß Fehltritte prominenter SPD-Ministerpräsidenten. Das Berliner Flughafen-Fiasko (JF 22/12) unter untätiger Mithilfe der BER-Aufsichtsräte Klaus Wowereit und Matthias Platzeck bezeichnet Holznagel als „Manifest von Fehlplanungen, Mißmanagement, unvollständigen Bauplanungen und Kostenüberschreitungen“ an.

Der Steuerzahlerbund schätzt, daß die Baukosten von mittlerweile 4,3 Milliarden Euro noch weiter steigen werden. In der letzten Bauphase sollten die Politiker im Aufsichtsrat des Flughafens, die mit dem Projekt eine „Bruchlandung“ erlebt hätten, daher durch externe Fachleute ersetzt werden, forderte Holznagel.

Dicht auf den Fersen in Sachen Verschwendung öffentlicher Gelder ist der ehemalige SPD-Chef Kurt Beck, seines Zeichens Landesvater in Rheinland-Pfalz. Das größenwahnsinnige Nürburgringprojekt ist pleite, die Zeche darf der Bürger zahlen: „Der Steuerzahler darf den staatlichen Vergnügungsbetrieb an der Traditions-Rennstrecke Nürburgring bezahlen“, heißt es im „Schwarzbuch“. Rund 254 Millionen Euro waren aus dem klammen Landeshaushalt nötig, um einen Kredit der landeseigenen Förderbank ISB zu decken. Im Juni meldete die Besitzergesellschaft des Nürburgrings Insolvenz an. „Grundsätzlich ist die Höhe der Verschwendungssumme aber ein nachrangiges Bewertungskriterium“, sagte Holznagel. Er wollte sich nicht auf ein Volumen festlegen, das der Steuerzahlerbund als öffentliche Verschwendung einstuft.

In früheren Jahren wurde immer eine Verschwendung von fünf bis zehn Prozent des Gesamthaushaltes angenommen. Neben den teuren Flops wie in Berlin oder Rheinland-Pfalz gibt es eine Reihe weiterer Schildbürgerstreiche. So sollte im nordrhein-westfälischen Hagen eine frisch sanierte Schulhausfassade mit einem Zaun für knapp 15.000 Euro vor Graffitis geschützt werden. Der 120 Meter lange Zaun schützte aber nur die Front, von den Seiten gelangte man weiter an die Schulhausfront. Abschreckende Wirkung gleich Null. Der Zaun wurde schließlich für 5.000 Euro wieder abgebaut.

Für den BdSt stellt sich die Frage der Haftung. Für ihn besteht ein großer Teil des Problems darin, daß Staatsdiener in den seltensten Fällen wirklich mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen – wenn sie etwa durch unsinnig erteilte Aufträge oder schlecht durchdachte Projekte Steuergelder verschwenden. Daher fordert Holznagel auch Steuerverschwendung mit Steuerhinterziehung gleichzustellen. „Wir dürfen uns nicht an Verschwendung gewöhnen. Ein solcher Fatalismus käme uns alle teuer zu stehen“, sagt der Verbandsvorsitzende. Er gesteht aber auch ein, daß es für alle Beteiligten schwierig sei, den Überblick zu behalten. Angesichts der offiziellen Haftungssumme des Euro-Rettungsschirms ESM von 190 Milliarden Euro und Staatsschulden in Höhe von über 2.000 Milliarden eigentlich auch kein Wunder mehr.

Das „40. Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler – Die öffentliche Verschwendung 2012“ kann kostenfrei bezogen werden: www.schwarzbuch.steuerzahler.de 

Bund der Steuerzahler (Hrsg:): Die öffentliche Verschwendung 2012. Bund der Steuerzahler, Berlin 2012, 111 Seiten, broschiert, kostenfrei

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