© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/12 28. September 2012

Abrechnung mit Amerika
Zwei Bücher prognostizieren den baldigen Abstieg der von großen finanziellen und gesellschaftlichen Problemen geplagten USA
Ronald Gläser

Haben die Vereinigten Staaten ihre besten Tage bereits hinter sich, oder liegt eine blendende Zukunft vor ihnen? Diese Frage beschäftigt eine ganze Zunft von Autoren weltweit. Davon zeugen Buchtitel wie „Der wirtschaftliche Niedergang Amerikas“ (1992) oder „Weltmacht USA – ein Nachruf“ (2003). Je spektakulärer, desto auflagenträchtiger. Seit Jahrzehnten.

Auch zwei aktuelle Bücher, die den „Niedergang“ und den „Kollaps“ der USA weissagen, warten indes zwar mit zutreffenden Fakten, aber auch mit einem ausgeprägten Unverständnis für die amerikanische Seele und das amerikanische Selbstverständnis auf. Da ist zum einen Ulfried Weißer, der „Krise und Niedergang der USA“ prognostiziert. Er benennt die Hauptprobleme, nämlich Staatsverschuldung und Handelsdefizit, und erstellt ein ebenso unterhaltsames wie kühnes Szenario für den Untergang der USA: Die Amerikaner isolieren sich immer mehr von der Welt, werfen die Uno raus und drucken Dollars, die niemand mehr haben will. Um sich den Rest der Welt gefügig zu machen, plant 2026 der US-Präsident einen Atomangriff auf den Iran, was der Rest der Nato nicht mitmacht.

Am Ende zerbricht nicht nur das Bündnis, sondern auch die USA teilen sich an ihrem 250. Geburtstag in mehrere Einzelstaaten auf – mit einem konservativen Staat im Mittleren Westen und modernen Wohlfahrtsstaaten in Kalifornien und New York, mit denen der Autor sympathisiert. Er geißelt die „ultraliberale“ Haltung vieler Amerikaner, die keinen ausufernden Sozialstaat wollen. Eine – nebenbei bemerkt – etwas befremdliche Haltung aus der Feder eines FDP-Kommunalpolitikers. Weißer kritisiert, daß es in den USA nicht so starke Autoritäten gäbe wie in Europa. In Amerika werde nicht „in Hierarchien gedacht“, sondern das „entscheidene Element ist der einzelne Bürger, das Individuum“. Und das ist falsch – aus seiner Sicht. Er vertritt eine sehr kollektivistische Denkweise. Kein Wunder, daß er den Brüsseler Zentralstaat fordert, um „mit China und Rußland auf Augenhöhe verhandeln zu können“.

Weißer führt die Unterschiede zwischen den USA und Europa auf die diversen Zuwanderergruppen zurück, die er akribisch analysiert. Seine Diagnose ist sehr fundiert, er versteht es genau, seine Thesen mit Zitaten von Größen wie Samuel Huntington oder Alexis de Tocqueville zu untermauern. Und doch lassen eine Reihe von bemerkenswerten Fehlurteilen („Der Euro hat sich gut entwickelt“) den Leser vermuten, daß der Abgesang mehr ein Horrorszenario ist als eine realistische Einschätzung.

Josef Braml geht etwas weniger hart ins Gericht mit den Amerikanern. In „Der amerikanische Patient“ beschreibt er vor allem die Degeneration der US-Wirtschaft, die Energiekrise, die außenpolitischen Risiken und die Armut einiger Bevölkerungsteile. Faktenreich und lesenwert. Während Weißer seine Vergleichsstudie in Kategorien wie Staat und Individuum definiert, spitzt Braml alles auf „Think Tanks“ zu. Wir Europäer müßten die Amerikaner mittels solcher Denkschulen auf unseren – natürlich überlegenen – Weg bringen. Denn diese Denkschulen seien am „breiten und offenen Diskurs“ stark beteiligt. Auf so eine Idee kann nur jemand kommen, der selbst für Think Tanks wie die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik oder das Aspen Institute arbeitet oder gearbeitet hat.

Es mag sein, daß die Vereinigten Staaten bald bankrott sind und es mit ihrer imperialistischen Außenpolitik in absehbarer Zeit vorbei ist. Das ist sogar wünschenswert. Und doch ist es falsch, daraus den Schluß zu ziehen, daß sich die USA damit sogleich aus der Weltgeschichte verabschieden. Das hat Rußland 1991 schließlich auch nicht. Die Probleme der westlichen Wohlfahrtsstaaten sind auf beiden Seiten des Atlantiks dieselben: Der ausufernde Sozialstaat, der Millionen zu Abhängigkeit und Untätigkeit verdammt, ist pleite. Dagegen helfen weder ein europäischer Zentralstaat noch neue Think Tanks oder neu gedruckte Geldscheine. Was wir brauchen, sind Zuversicht, Fleiß und intakte Familienstrukturen. In jedem dieser Bereiche sind die Amerikaner wesentlich besser aufgestellt als die Durchschnittseuropäer.

Josef Braml: Der amerikanische Patient. Siedler Verlag, München 2012, gebunden, 224 Seiten, 19,99 Euro

Ulfried Weißer: USA – Niedergang und Krise. 2. Auflage. Deutsche Literaturgesellschaft, Berlin 2012, broschiert, 483 Seiten, 16,80 Euro

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