© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/12 05. Oktober 2012

Blick in die Medien
„Spiegel“: Kritik wird abgebloggt
Toni Roidl

Jetzt also auch der Spiegel. Seit gut einer Woche führt das Blatt auf seiner Internetseite einen Blog, der seinen Lesern „Einblicke in die Arbeit der Redaktion“ verspricht.

„Das Blatt muß sich dem Diskurs stellen“, schreibt die Spiegel-Blog-Redaktion. Das heißt, das langsame Printmedium will dem Internet hinterherlaufen und Debatten über kontroverse Heftinhalte, die sich in Windeseile an den virtuellen Stammtischen verbreiten, selbst lenken. Das ist so, als wenn Schäuble ein Forum für EU-Kritiker leiten würde.

Die Leser nutzen das neue Ventil, um Dampf abzulassen. Viele Kommentatoren nutzen die lockere Moderation des Blogs, um sich dort darüber zu beschweren, daß ihre Kommentare bei Spiegel Online gelöscht wurden. Beim Vorbild Tagesschau-Blog ist es übrigens dasselbe, die Seite dient potentiellen Wutzuschauern als Kummerkasten.

Es darf bezweifelt werden, daß sich das Magazin einem Diskurs stellen wird. Ebenso wie es vermutlich keine Erklärung dafür liefert, warum die Titelgeschichte aus dem Heft der Vorwoche (24. September) über „die Kohl-Tragödie“ über weite Strecken identisch war mit jener über „Die Familie Kohl. Ein deutsches Dama“ vom 11. Juli des Vorjahres.

Solche Informationen finden sich bei Portalen wie Meedia.de oder dem unabhängigen Spiegelblog.net, das die Beiträge des Hamburger Blattes kritisch analysiert und zuweilen als Plagiate, PR oder Pannenserien bloßstellt.

Dabei würde man durchaus gerne von den Spiegel-Machern ehrliche Antworten kriegen, beispielsweise auf die Frage, warum das Blatt beim Thema Gentechnik stets auf der Seite des Konzerns Monsanto ist? Oder wer eigentlich dafür sorgt, daß die Homöopathie mit schöner Regelmäßigkeit als angeblicher Schwindel entlarvt wird? Unwahrscheinlich, daß Spiegel-Leser darüber bald mehr wissen.

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