© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/12 12. Oktober 2012

Manifest für eine enthemmte Rechte
Frankreich: Im Kampf um den Vorsitz bei der bürgerlichen UMP spricht Jean-François Copé wider die politische Korrektheit / Front National unter Druck
Friedrich-Thorsten Müller

Am 18. November wählen Frankreichs Bürgerliche einen neuen Parteivorsitzenden. Bereits seit 2007, also der Wahl Nicolas Sarkozys zum französischen Präsidenten, war das Amt, den Regularien der UMP entsprechend, unbesetzt. 

Doch nun zeichnet sich ab, daß die Mitglieder der Partei nicht nur zwischen zwei Personen, sondern auch über die politische Neuausrichtung der Partei entscheiden werden. Sarkozys früherer Premierminister, François Fillon, gibt sich eher staatsmännisch und stellt die Gesundung von Staatsfinanzen und Wirtschaft in den Vordergrund seiner Agenda, womit er parteiintern wenig Angriffspunkte bietet. Ganz anders dagegen der frühere Fraktionsvorsitzende der UMP in der Nationalversammlung, Jean-François Copé, der für den von Nicolas Sarkozy zuletzt eingeschlagenen strammen Rechtskurs steht.

Der 48jährige laizistisch orientierte Sohn jüdischer Einwanderer gilt als einer der Drahtzieher hinter dem 2010 verabschiedeten Burka-Verbot in Frankreich. Mit seinem aktuell erschienenen Buch „Manifest für eine enthemmte Rechte“ – und bewußt gewählten Veröffentlichungen von Auszügen in französischen Zeitungen – tritt er mitten im Wahlkampf um den Parteivorsitz eine Diskussion los, die in der deutschen Schwesterpartei CDU undenkbar wäre.

So klagt er als Abgeordneter und Bürgermeister eines Pariser Vororts mit hohem Sozialwohnungs- und Einwanderanteil offen über „Anti-Weißen-Rassismus“, den die Politik endlich zur Kenntnis nehmen solle. Weiter legte er nach, daß mancherorts in Frankreich einheimische Kinder während des Ramadans bereits damit rechnen müßten, daß Moslems ihnen das Pausenbrot wegnehmen würden. Äußerungen, die bei der französischen Linken für Entsetzen und bei Marine Le Pens Front National (FN) für Verärgerung sorgen.

Schließlich hätten Jean-François Copé und die UMP während ihrer Regierungszeit die Existenz von Inländerfeindlichkeit in Frankreich geleugnet. „Der Zynismus dieses Mannes kennt keine Grenzen (...), er hat gut von Nicolas Sarkozy gelernt“, so die Vorsitzende des FN.

Einerseits steht Jean-François Copé inhaltlich dem FN wesentlich näher als sein Rivale François Fillon. Copé war bei den in Frankreich fast immer entscheidenden Stichwahlen gegen die sogenannte „Republikanische Front“, bei der die etablierten Parteien lange Jahre immer gemeinschaftlich den jeweils verbliebenen Gegenkandidaten eines FN-Stichwahlteilnehmers gewählt haben. Vielmehr steht er für den Kurs des „Ni-ni“, der für den Verzicht auf Wahlempfehlungen steht, „solange die Sozialisten sich auch von der extremen Linken unterstützen lassen“. François Fillon rief dagegen 2011 bei den Kantonalwahlen dazu auf, gegen den FN zu stimmen.

Auf der anderen Seite muß der FN Jean-François Copé aber mehr fürchten, da er über wesentlich mehr Potential verfügt, gerade in der Opposition dem FN Wähler abspenstig zu machen. Wie Copé in seinem Buch schreibt, steht er für eine Rechte, „die republikanisch, modern und befreit ist von der Politischen Korrektheit, dieser Ordnung, die uns von linken Gutmenschen aufgezwungen wird, die damit ihre Vorherrschaft absichern wollen.“ Das alles könnte so wörtlich auch von Marine Le Pen kommen.

Ob das Kalkül von Jean-François Copé aufgehen wird und Frankreichs Bürgerliche in der Urwahl der Mitglieder dem für harte Verbal-Attacken bekannten Vater von vier Kindern das Vertrauen aussprechen, ist schwer abzuschätzen. Allgemein sieht man den zehn Jahre älteren Ex-Regierungschef François Fillon fünf Wochen vor der Wahl leicht im Vorteil.

Klar ist, daß die anstehende Wahl auch als Vorentscheidung gewertet werden kann, wer 2017 für die UMP als Präsidentschaftskandidat ins Rennen gehen wird. Daß Copé – im Gegensatz zu Fillon – loyal bekundet, im Zweifel Ex-Präsident Nicolas Sarkozy den Vortritt lassen zu wollen, sollte sich dieser nochmals zur Wahl stellen, ist vermutlich eher als Marginalie zu werten.

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