© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/12 12. Oktober 2012

Lebhafte Debatte
Die konservative Messe „Zwischentag“ fand mit 700 Besuchern in Berlin statt
Hans-Peter Rissmann

Plötzlich zucken Blitze. Von einem Moment auf den anderen verfinstert sich der Himmel, heftige Böen beginnen Regen durch die gekippten Fenster des Saales zu peitschen. „Ist das der Zorn Allahs?“ wundert sich Michael Stürzenberger scherzhaft, den Koran in die Höhe haltend. Gerade war er im Begriff auszuführen, warum das heilige Buch der Muslime mit Hitlers „Mein Kampf“ vergleichbar sei. Gelächter breitet sich unter den Zuhörern aus.

Die Podiumsdiskussion mit dem Autor des islamkritischen Internetportals Politically Incorrect und dem wissenschaftlichen Leiter des Instituts fürs Staatspolitik (IfS), Karlheinz Weißmann, war zweifellos der Höhepunkt einer konservativen Messe in Berlin, die am vergangenen Samstag unter dem Namen „Zwischentag“ erstmalig stattfand. Rund 700 Besucher waren dem Aufruf von Veranstalter Götz Kubitschek gefolgt. Der Verleger des Magazins Sezession (siehe unten auf dieser Seite die Zeitschriftenkritik) hatte zur Veranstaltung in die Räume eines Logenhauses in Berlin-Wilmersdorf eingeladen.

Zu den rund dreißig Ausstellern aus dem konservativen, freiheitlichen, islamkritischen und burschenschaftlichen Spektrum zählten Zeitschriften und Verlage, Initiativen, darunter unter anderem Compact, die Blaue Narzisse, die Verlage Ares, Regin und Telesma, Der Eckart, Magazin der Österreichischen Landsmannschaft, die Stresemann-Stiftung, das Institut für Staatspolitik (IfS) und die Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung (FKBF), die Internetplattform Politically Incorrect (PI) sowie die Modemarken KonMo, ProPatria und die Buchbinderei Irmgard Hanke. Die JF war ebenfalls mit einem eigenen Stand vertreten. Unter den Besuchern waren zahlreiche junge Menschen, darunter auch viele Frauen und Verbindungsstudenten in Couleur.

Hauptziel des „Zwischentags“ sollte eine bessere Vernetzung konservativer und nonkonformer Verlage und Institutionen sein. Durch die Einrichtung einer Kontaktbörse will der Veranstalter nun auch „Zwischenorte“ schaffen, an denen sich Interessenten aus derselben Stadt oder Region treffen und austauschen können. Felix Menzel, Chefredakteur der Zeitschrift Blaue Narzisse, regte zudem ein Suchportal und eine Vernetzungskartei an, mit der ein „Ökosystem aus Unternehmen, Kunden und jungen Berufsanfängern“ geschaffen werden könne. Dies könne beispielsweise helfen, eigene Firmen bei der Vergabe eines Auftrags zu begünstigen oder jungen Menschen eine berufliche Perspektive in einem wertebewußten Umfeld zu geben. „Unser Geld soll in der konservativen Familie bleiben“, meinte Menzel mit Verweis auf linke Projekte, die nach ähnlichem Prinzip arbeiten.

Zur Podiumsdiskussion über die Frage „Soll der Mohammed-Film gezeigt werden?“ platzte der Vortragssaal aus allen Nähten. Viele der Besucher mußten auf dem Boden Platz nehmen. Einigen gelang es nicht einmal mehr, einen Stehplatz im Saal zu ergattern, der mit über 200 Hörern gefüllt war. Seit dem Bekanntwerden des Films und den darauffolgenden Ausschreitungen in der arabischen Welt stellt sich drängender die Frage, wie weit Islamkritik gehen soll und welche Haltung Konservative gegenüber radikalen Islamgegnern einnehmen.

Mit Stürzenberger und Weißmann prallten nun in einer angriffslustig geführten Debatte dann auch genau jene beiden Pole aufeinander. Während Weißmann das Hauptproblem in der Frage der Ethnie und dem Niedergang der deutschen und europäischen Identität sah, erklärte Stürzenberger den Islam selbst zum Feind „des Westens“. Den Islam bezeichnete er abwechselnd als faschistisch, gewaltverherrlichend und grundgesetzfeindlich. Deswegen möchte er Moslems, dem Vorbild des israelischen Außenministers Avigdor Lieberman folgend, zu einem schriftlichen Bekenntnis auf die Verfassung verpflichten. „Der Islam muß sich dem 21. Jahrhundert anpassen!“ forderte er.

Weißmann kritisierte scharf Stürzenbergers Feinderklärung an den Islam und hob hervor, daß letztlich jede Religion und Weltanschauung dazu tauge, politisch instrumentalisiert und mißbraucht zu werden. Der Islam sei nicht das eigentliche Problem, und man dürfe hier nicht ansetzen, so Weißmann. „Wir haben es mit einem Problem zu tun, das ethnischer Natur ist“, fuhr er fort. Er verwies auf Frankreich, wo sich die in den Banlieues revoltierenden Algerier in erster Linie auf ihr Volkstum und nicht ihre Religiosität stützen würden. Außerdem reiche der Verweis auf die Radikalität des Korans nicht aus, um im Islam eine existentielle Gefahr zu sehen. Dafür sei eine Trägergruppe wie beispielsweise frustrierte junge Männer notwendig, die bereit zur kämpferischen Verbreitung seien.

Stürzenberger verwahrte sich gegen eine solche Positionierung: „Ich sehe darin kein Problem der Ethnie“, antwortete er Weißmann. „Der Unterschied zwischen Türken, die bei uns leben ist: Haben sie den Koran im Kopf oder westliche Werte und die Demokratie? Sind sie bereit sich zu integrieren?“ Letztere seien wertvolle Mitbürger. War das Publikum zu Beginn noch unentschieden, zog Weißmann im Lauf der Diskussion das Publikum durch sein Plädoyer für Differenzierung auf seine Seite.

Weißmann sprach Stürzenberger auf dessen Israel- und US-Flagge am Revers an und erklärte, wenn er ernsthaft Israel verteidigen wolle, müsse ihm klar sein, daß dies ohne das fortgesetzte Bündnis mit dem streng moslemischen Saudi-Arabien realistisch nicht möglich sei. Solchen realpolitischen Einwänden war der PI-Journalist nicht zugänglich und reagierte nur mit gesteigertem Agitprop, wild mit dem Koran herumfuchtelnd.

Gegen Ende der Debatte rumorte es unter den Zuschauern immer heftiger. Unmut über Stürzenberger machte sich breit. Immer wieder wurde er von Einwürfen aus dem Publikum unterbrochen. „Am Liberalismus gehen die Völker zugrunde, nicht am Islam“, rief ein Zuhörer erregt in die Runde. „Daß wir unsere nationale Identität verlieren, daß wir unsere Souveränität aufgeben, das hat alles nichts mit dem Islam zu tun.“

Einig war man sich am Ende über die Wichtigkeit der Auseinandersetzung selbst. JF-Chefredakteur Dieter Stein sprach in seinem anschließenden Kurzvortrag von einer „Sternstunde“, weil hier ein „überfälliger Disput“ ausgetragen worden sei, der bisher nur unterschwellig geführt worden wäre. Stein warnte vor der Gefahr der „Selbstisolierung“ einer konservativen, rechtsintellektuellen Szene, die sich zu einer von vielen subkulturellen Spielarten in Parallelwelten zurückziehe. Notwendig sei eine offene Debatte und Mut zur Selbstkritik. Dafür sei das Streitgespräch zwischen Stürzenberger und Weißmann ein ermutigendes Beispiel.

Die Veranstalter ziehen eine positive Bilanz des „Zwischentages“. Eine Erweiterung des Spektrums der Aussteller ist sicherlich wünschenswert. Eine konservative Messe dieser Dimension hat es fraglos in den letzten Jahrzehnten nicht gegeben.

Die Frankfurter Allgemeine schrieb in ihrem Feuilleton Anfang dieser Woche im Zusammenhang mit Michael Leys Manifest „Die kommende Revolte“, es herrschten in Deutschland Verhältnisse, „in denen jede politische Provokation unweigerlich in Maybrit Illners nächster Talkshow landet“. Es ist bezeichnend für den Geist der Zeit und des FAZ-Feuilletons, daß dies selbstverständlich nicht für eine rechtsintellektuelle Provokation zutrifft. Und so sitzt weder Karlheinz Weißmann bei Maybrit Illner, noch würdigt die FAZ die 50. Ausgabe der Sezession mit einer Zeile.

Weitere Informationen und Beiträge unter:  www.zwischentag.de

Foto: Besucher (oben) und JF-Stand auf dem „Zwischentag“ in Berlin: Eine konservative Messe dieser Dimension hat es fraglos in den letzten Jahrzehnten noch nicht gegeben

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