© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/12 12. Oktober 2012

Lockerungsübungen
Besser gar nichts tun
Karl Heinzen

Die Verkehrsminister des Bundes und der Länder haben sich auf ihrer Herbsttagung darauf geeinigt, die Einführung einer „City-Maut“ zu prüfen. Mit dieser soll ein Beitrag dazu geleistet werden, jene sieben Milliarden Euro aufzubringen, die zum Ausbau und Erhalt der Straßen, Bahnstrecken und Wasserwege unseres Landes zu veranschlagen sind. Ergänzend hält Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer an seinem Vorschlag fest, die Autobahnmaut auch auf Personenkraftwagen auszuweiten.

Die Einschätzung, daß zahlreiche Straßen sanierungsbedürftig sind, können die Autofahrer aus eigenem Erleben bestätigen. Auch die Erweiterung bestehender Netze, um dem wachsenden Verkehrsaufkommen im Zeitalter der Globalisierung gerecht zu werden, mag manchen einleuchten. Allerdings sind dem Staat in der Finanzierung derartiger Infrastrukturprojekte unterdessen die Hände gebunden. In der Vergangenheit wäre es leichtgefallen, diese Investitionen durch eine weitere Kreditaufnahme zu ermöglichen. Heute ist in erster Linie darauf zu achten, daß der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse Rechnung getragen wird.

Also kommt nur in Betracht, den Bürger stärker zu belasten. Eine neue Abgabe, die ihm den Eindruck vermittelt, sie würde unmittelbar zur Lösung eines von ihm anerkannten Problems genutzt, stößt dabei auf größere Akzeptanz als die Erhöhung bereits bestehender Steuern, die unpopulär und längst ausgereizt sind.

Bevor der Staat in Zeiten knapper Kassen zu neuen Ausgaben schreitet, ist jedoch zu prüfen, ob die Alternative, einfach gar nichts zu unternehmen, vielleicht doch die bessere ist. Ramsauers Argument, Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur würden Wachstum und Beschäftigung fördern, ist nämlich nicht stichhaltig. Er unterschlägt dabei, daß marode Straßen zu einem höheren Verschleiß von Fahrzeugen führen und damit der Automobilbranche und den Reparaturwerkstätten einen dynamischen Impuls vermitteln. Generell gilt: Anstatt die Anspruchsmentalität von Bürgern und Wirtschaft weiter zu stärken, sollte der Staat ihnen lieber die Wahrheit sagen: Auch hinsichtlich der öffentlichen Infrastruktur haben wir jahrzehntelang über unsere Verhältnisse gelebt. Wir bleiben nur zukunftsfähig, wenn wir manches von ihr verfallen lassen und uns auf das Notwendigste beschränken.

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