© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/12 12. Oktober 2012

Brandstifter und Feuerwehrmann
Eine freundliche Biographie über den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück blickt über dessen unselige Rolle bei der Entstehung der Bankenkrise als Merkels Finanzminister nonchalant hinweg.
Hinrich Rohbohm

Kann Peer Steinbrück Kanzler? Diese Frage haben Eckart Lohse und Markus Wehner in ihrer im Droemer-Verlag erschienenen Biographie zu beantworten versucht. Das Resultat ist kein Ja oder Nein. Und das ist auch nicht überraschend. Man weiß es nicht, lautet die Botschaft. So schlau dürfte mancher Leser zwar auch schon vor der Lektüre gewesen sein. Dennoch beleuchtet das 384 Seiten umfassende Werk ausführlich die maßgeblichen Lebensfacetten Steinbrücks.

Wenn die Schattenseiten auch nicht verschwiegen werden, so lassen sich die Beschreibungen des Politikers insgesamt doch als wohlwollend kennzeichnen. Man merkt, daß die Autoren mit dem Protagonisten selbst gesprochen haben und sich einen eigenen Eindruck von Steinbrück verschaffen konnten. Man merkt aber auch, daß es dem frischgebackenen Kanzlerkandidaten gelungen ist, die beiden Journalisten der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung einzuwickeln.

Zu sehr bleibt Steinbrücks Mitverantwortung an der Finanzkrise im Vagen. Daß er den äußerst dubiosen Staatssekretär Jörg Asmussen im Bundesfinanzministerium weiter sein Unwesen treiben ließ, wird in dem Buch eher noch mit Lob als mit Tadel bedacht, SPD-Mann Asmussen selbst als parteiübergreifender Macher glorifiziert. Daß Asmussen es war, der sich für den Ausbau des Verbriefungsmarktes stark gemacht hatte, mit der Forderung nach Abschaffung von bestehenden Finanzregeln dafür sorgte, daß die Banken die bis dahin erforderlichen Eigenkapitalanforderungen umgehen konnten und ihnen damit gestattet wurde, Kredite durch Zweckgesellschaften in Steueroasen zu transferieren, wird von den gelernten Historikern nicht tiefgreifend genug problematisiert. Steinbrück, dem als gelerntem Volkswirt die Tragweite von Asmussens Handeln bewußt gewesen sein muß, wird dem Leser tendenziell eher als Manager der Finanzkrise verkauft, weniger als einer der Mitauslöser, der selbst den Banken den Weg für jene fragwürdigen Verbriefungen ebnete, die die Krise mit ins Rollen gebracht hatten.

Steinbrücks familiäre Verbindungen in die deutsche Bankenwelt werden dagegen ausführlich dargelegt. Hinterfragt werden sie jedoch nicht. Als heftigste Kritikpunkte müssen somit die Tatsachen herhalten, daß Steinbrück noch nie eine Wahl gewinnen konnte und als Ministerpräsident und Landesfinanzminister an der Haushaltskrise in Nordrhein-Westfalen nicht ganz unbeteiligt war.

Dennoch wartet das Werk immer wieder mit Überraschungen aus dem Leben Steinbrücks jenseits seiner politischen Ämter auf. Etwa damit, daß der stets als rechter Sozialdemokrat dargestellte Mittsechziger mit einer überzeugten Alt-Achtundsechzigerin verheiratet ist. Oder damit, daß seine einstige Kieler Studenten-WG schon einmal von der Polizei gestürmt wurde, weil Nachbarn vermutet hatten, die angehenden Akademiker könnten etwas mit einem kürzlich in der Gegend verübten Bankraub zu tun gehabt haben. Das erwies sich zwar als Blödsinn. Interessant ist dennoch die in diesem Zusammenhang erfolgte Erwähnung, daß einer aus der damaligen WG damals nähere Bekanntschaft zum RAF-Umfeld gepflegt haben soll.

Auch die Passagen zur Bundeswehr-Zeit des Spitzenpolitikers warten mit einer Überraschung auf. So soll es im Frühjahr 1969 ein gewisser Albert Hittmeyer gewesen sein, der Steinbrück zur SPD brachte. Der sechs Jahre ältere damalige Zugführer im Panzerbataillon 314 in Oldenburg-Bümmerstede nahm den damaligen Wehrpflichtigen Steinbrück mit zu Juso-Veranstaltungen, sagte ihm, daß er bei der SPD richtig sei, wenn er sich für politische Themen interessiere und für demokratische Reformen sei. Der Leser erfährt in diesem Zusammenhang auch, daß Hittmeyer der sogenannten „Leutnant 70“-Gruppe angehörte, die laut Ansicht des damaligen NRW-Innenministeriums von Soldaten getragen wurde, die der DKP oder deren Jugendoganisation SDAJ angehörten.

Daß der Finanzpolitiker Steinbrück in der Mittelstufe ausgerechnet im Fach Mathematik unterdurchschnittlich war und zudem zwei Ehrenrunden absolvieren mußte, fehlt in dem Buch ebensowenig wie der Verweis auf cholerische Anwandlungen, die ihm gegenüber Freunden selbst zu Ministerzeiten noch unterliefen. Wer mehr über den Menschen Steinbrück erfahren will und sich für das Private rund um den Politiker interessiert, den erwartet in der von den Autoren vorgelegten Biographie ein solide recherchiertes Buch, daß ausführlich, manchmal auch zu ausführlich, den Zeitgeist der frühen Steinbrück-Jahre beschreibt. Wer hingegen große politische Enthüllungen erwartet, dürfte von dem Werk enttäuscht sein. Umfangreiche Recherche, aber letztlich in der Wertung doch allzu braver Mainstream-Journalismus prägen den Inhalt, der Peer Steinbrück von einigen negativen Passagen über sein Privatleben abgesehen durchaus gefallen dürfte.

 

Eckart Lohse, Markus Wehner: Steinbrück. Biographie. Verlag Droe-mer Knaur, München 2012, 384 Seiten, gebunden, 19,99 Euro

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