© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/12 19. Oktober 2012

Sozialismus in Schwarz
Energiewende: Daß Strom bald wesentlich teurer wird, ist nicht überraschend
Klaus Peter Krause

Die rasante Stromverteuerung in Deutschland ist nicht vom Himmel gefallen. Nur wurde, was unweigerlich drohte, möglichst lange unter der Decke gehalten. Mit jeder neu installierten Windkraft-, Photovoltaik- und Biogasanlage wird hochsubventionierter überflüssiger Strom erzeugt und der Strompreis in die Höhe getrieben. Denn das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zwingt die Betreiber des Stromübertragungsnetzes, diesen „Ökostrom“ mit Vorrang unbegrenzt abzunehmen und den Anlagenbetreibern den staatlich dafür festgelegten Garantiepreis zu bezahlen. Damit belastet wird über die EEG-Umlage der Stromverbraucher. 2013 wird die Umlage steigen. Weitere Erhöhungen sind unumgänglich.

Daher ist nun zu hören: Das EEG muß weg. Stimmt, das muß es. Als erster hat der wendige Rainer Brüderle (FDP) in das Anti-EEG-Horn gestoßen. Allerdings will Brüderle den „Ökostrom“ nur mit einer anderen Zwangsmaßnahme durchsetzen: mit einem staatlichen Beimischungszwang und einer Quote wie beim E10-Benzin. Das ist nach wie vor staatliche Befehlswirtschaft, aber nicht Marktwirtschaft.

Schlimmer noch eiert Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) herum. Er will das EEG nicht abschaffen, nur reformieren. Er sieht darin nach wie vor „das zentrale Instrument der Energiewende“. Auch er redet von Quoten, aber es sind andere als die von Brüderle. Seine Quoten sind Obergrenzen. Für die Solaranlagen gibt es die schon. Übersteigt deren Kapazität 52.000 Megawatt – das entspricht etwa dem Doppelten der bisher installierten Leistung – gibt es den Garantiepreis für Strom aus der Überkapazität nicht.

Gleiches stellt sich Altmaier auch für Windkraft- und Biogasanlagen vor. Aber den Anteil des „Ökostroms“ an der gesamten Stromerzeugung will Altmaier bis 2020 sogar auf 40 Prozent statt bisher 35 Prozent erhöhen. Derzeit trägt dieser Strom 25 Prozent zur Stromversorgung bei. Gleichwohl schwadroniert der Minister, das EEG solle sich „vorzugsweise auf marktwirtschaftliche Prinzipien stützen“. Aber Marktwirtschaft ist an seinen „Überlegungen“ überhaupt nichts, sondern alles glasklare zentrale staatliche Plan- und Befehlswirtschaft. War das nicht mal kommunistisches Teufelszeug? Ja, das war’s. Und ist es immer noch.

Mit den Ökostrom-Anlagen baut Deutschland neben der Kapazität herkömmlicher Kraftwerke, die weiterhin unentbehrlich sind, eine überflüssige und unwirtschaftliche Doppelkapazität der Stromerzeugung auf. Diese zweite Kapazität ist zudem von minderer Qualität. Sie ist nur eine fiktive, eine theoretische Größe, denn ihre Nennkapazität wird nie erreicht, weil Wind und Sonne den Strom nur unbeständig liefern. Sie ist daher für die Stromversorgung, die stetig sein und dem schwankenden Tagesbedarf sekundengenau folgen muß, viel zu unsicher, außerdem black-out-anfällig, also ungeeignet.

Staatliche Eingriffe in Wirtschaft und Märkte ziehen weitere Eingriffe stets nach sich. So auch hier. Es begann mit der Behauptung, von Menschen verursachtes CO2 erwärme das Erdklima. Um das zu verhindern und das Klima zu schützen, sei der CO2-Ausstoß zu verringern, folglich auch die Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen abzuschaffen und stattdessen Strom mittels Wind, Sonne und Biomasse herzustellen. Deutschland erfand dafür das EEG. Dessen Abnahmezwang und Garantiepreis treiben den Strompreis hoch. Das gefährdet in der stromintensiven Industrie Betriebe und Arbeitsplätze, Abwanderungen drohen. Die Industrie erreicht Ausnahmen von der EEG-Umlage.

Arme private Stromverbraucher können ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen. Der Staat fühlt sich gezwungen, sie zu entlasten. Die herkömmlichen Kraftwerke dürfen Strom nur noch liefern, wenn der „Ökostrom“ nicht reicht, sind daher unzureichend ausgelastet. Folglich kommen sie nicht mehr auf ihre Kosten, denken an Stillegungen. Prompt drohen Politiker mit Stillegungsverbot. Denn nur mit den herkömmlichen Kraftwerken sind Netzstabilität und stetige Stromversorgung zu sichern. Schon ergibt sich daraus die nächste Intervention: diese Kraftwerke nicht für ihren Strom zu bezahlen, sondern allein für ihr Vorhandensein.

Mit den Ökostrom-Anlagen ist die Stromerzeugung – anders als zuvor – breit über das Land dezentralisiert. Das, gepaart mit der tückischen Unstetigkeit des nun massenweise anfallenden Wind- und Sonnenstroms, belastet das bestehende Netz und die Regeltechnik über Gebühr und gefährdet im Stromnetz die 50-Hertz-Frequenz. Die nämlich ist für die Netzstabilität und eine zuverlässige Stromversorgung notwendig. Jederzeit. Abweichungen, die 49,8 unter- oder 50,2 überschreiten, führen zu flächendeckendem Stromausfall. Aber Verteilernetze zu den Stromkunden und Regelwerk sind für die vielen zusätzlichen Ökostrom-Anlagen zu schwach. Daher werden Tausende Kilometer neue Leitungen und neue Regler notwendig.

Dies alles zeigt: Die „Energiewende“ läuft aus dem Ruder. Eine Intervention gebiert die andere und die wieder weitere. Trotzdem fordern, planen und unterstützen die Energiewender Bundesregierung, Länderregierungen, Bundestag, Landtage sowie viele Städte und Gemeinden den immer weiteren Ausbau von „Ökostrom“, als als seien sie alle benebelt und als kümmerten sie dessen Folgen überhaupt nicht. Deutschland braucht in der Energiepolitik die Wende der Wende.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen