© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/12 19. Oktober 2012

Preisschock der Steckdose
Energiepolitik: EEG-Umlage steigt 2013 um 47 Prozent / Fast die Hälfte des Strompreises sind Steuern und Abgaben
Jörg Fischer

Der Betrag klingt zunächst harmlos: 1,685 Cent plus Mehrwertsteuer. Um diesen Wert steigt im kommenden Jahr die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Doch dahinter verbirgt sich eine der rasantesten Preissteigerungen seit der Wiedervereinigung. In diesem Jahr mußten private und ein Großteil der gewerblichen Verbraucher 3,592 Cent pro Kilowattstunde als EEG-Zuschlag auf ihre Stromrechnung hinnehmen. 2013 sind es 5,277 Cent, das teilten am Montag die für die Verwaltung der Förderzahlungen an Ökostromerzeuger zuständigen Übertragungsnetzbetreiber mit. Mit Mehrwertsteuer sind es 6,28 Cent.

Das ist innerhalb eines Jahres eine Steigerung um 47 Prozent. Derzeit entfallen 14 Prozent des Strompreises auf die EEG-Umlage, im kommenden Jahr könnten es bis zu 19 Prozent sein. Je nach Berechnungsgrundlage bedeutet das für einen Vier-Personen-Haushalt Zusatzkosten von etwa 60 bis 85 Euro pro Jahr. „Es geht um die Kosten für zwei Weizenbier“, schrieb süffisant die taz, die eine Monatsrechnung aufmachte.

Wie dramatisch die Strompreissteigerung in Deutschland wirklich ist, zeigt die Entwicklung seit dem Amtsantritt der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder 1998. Damals kostete die Kilowattstunde nur 17,1 Cent. Die unter Helmut Kohl eingeführte Vergütung nach dem Stromeinspeisungsgesetz – dem Vorläufer des EEG – betrug nur 0,08 Cent. Inzwischen liegt der Bruttostrompreis bei etwa 26 Cent – das ist eine Steigerung um mehr als die Hälfte.

Der allgemeine Verbraucherpreisindex stieg im selben Zeitraum hingegen nur um ein Fünftel. Denn zu den EEG-Kosten kommen noch die Stromsteuer von 2,05 Cent, die Umlage nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) und die Vergütung nach der Stromnetzentgeltverordnung (zusammen weniger als ein Cent) hinzu. Daraus ergibt sich eine jährliche Zusatzbelastung von 300 bis 400 Euro pro Haushalt – oder mehr als einem Dutzend Weizen pro Monat in der teuren taz-Kneipe.

Und wer profitiert von der EEG-Umlage, die in diesem Jahr voraussichtlich mehr als 14 Milliarden und ab 2013 wohl 20 Milliarden Euro Umverteilungsvolumen bietet? In erster Linie gehen die Milliarden an die Betreiber neu errichteter Windkraft-, Solar- und Biogasanlagen. Unter Rot-Grün waren die Betreiber von Photovoltaikanlagen die EEG-„Könige“. Ihre für 20 Jahre garantierte Einspeisevergütung betrug im ersten Jahr 50,6 Cent pro Kilowattstunde – bei einer Degression von jährlich fünf Prozent. Das derzeitige Merkel-Kabinett erweist sich eher als Förderer milliardenschwerer Offshore-Investoren: Die EEG-Novelle garantiert Windparks in Nord- und Ostsee eine Anfangsvergütung von 19 Cent. Strom aus Biomasse wird eine Grundvergütung von bis zu 14,3 Cent gewährt. Sonnenstromlieferanten erhalten hingegen nur 13,5 Cent. Zum Vergleich: Kohlekraftwerke liefern Strom für weniger als vier Cent.

Anhänger des EEG argumentieren, daß mit der Umlage auch die Entlastung für energieintensive Industrien finanziert wird. Das stimmt: 2013 kommen vor allem Firmen der Grundstoffproduktion etwa vier Milliarden zugute. Allerdings beschäftigt die Branche 830.000 Mitarbeiter – das ist etwa ein Siebtel aller Industriearbeitsplätze. Und ohne EEG wären Aluhütten, Chemiefabriken oder Zementwerke nicht auf diese Subvention angewiesen. Die Ermäßigung erhalten jene Firmen, die über eine Gigawattstunde jährlichen Stromverbrauch oder Stromkosten von mindestens 14 Prozent ihrer Bruttowertschöpfung haben.

Wären die Stromkosten ohne Atomausstieg geringer? Das läßt sich nicht seriös beziffern. Fakt ist aber, daß die Preissteigerung bei Erzeugung, Transport und Vertrieb von Strom seit 2010 – dem Jahr vor Fukushima – lediglich 0,15 bis 0,25 Cent pro Kilowattstunde betrug. Das sind Werte unterhalb der offiziellen Inflationsrate – oder angesichts der EEG-Kosten nur „Peanuts“.aa

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