© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/12 19. Oktober 2012

Rundfunkrat wird „geschlechtergerecht“
SWR: Grün-rote Gesellschaftspolitik im TV-Kontrollgremium / Vertriebene und Freikirchen fliegen raus
Christian Schreiber

Es sind begehrte Posten, so etwas wie Aufsichtsräte der Fernseh- und Hörfunkanstalten. Der Rundfunkrat ist das wichtigste Kontrollorgan des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Mitglieder setzen sich aus Vertretern „gesellschaftlicher“ Gruppen und Organisationen zusammen. Ihre Aufgabe ist es, „die Allgemeinheit auf dem Gebiete des Rundfunks“ zu vertreten.

So heißt es zumindest in einer Selbstdarstellung. Die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg befaßt sich am 23. Oktober mit der Zusammensetzung eben jenes Gremiums beim Südwestrundfunk (SWR). Nachdem eine Einigung mit den Rheinland-Pfälzern über eine Verkleinerung nicht möglich war, geht das Kabinett im Ländle nun aufs Ganze: Die anstehende Reform des Staatsvertrags, der 1998 den fusionierten Südwestrundfunk aus Süddeutschem Rundfunk und Südwestfunk begründet hatte, will Grün-Rot um Ministerpräsident Winfried Kretschmann auch nutzen, um über die Zusammensetzung des Rundfunkrats zu verhandeln oder auch „zeitgemäßer zu besetzen“.

So nennt es zumindest die Ulmer Südwest-Presse. Sie will in der vergangenen Woche herausgefunden haben, daß es zwar beim größten Rundfunkrat in Deutschland bleiben soll, aber einige gravierende Änderungen in Vorbereitung sind. Insgesamt entsendet Baden-Württemberg 51 Vertreter in das Gremium, 23 stammen aus Rheinland-Pfalz.

Interessant und demaskierend ist vor allem, wen Rot-Grün für gesellschaftlich relevant hält. Nach Informationen der Südwest-Presse sieht der Vorschlag wesentliche Änderungen vor: So wird sich die Landesregierung, die bisher zwei Vertreter im Rundfunkrat hat, gänzlich zurückziehen.

Die acht Sitze für die Landtagsparteien aber bleiben. Für gesellschaftlich relevanter als die Freikirchen hält die Landesregierung wenig überraschend die Moslems, die bisher unberücksichtigt sind. So sollen die Freikirchen ausscheiden, ihren Sitz die Moslems bekommen. Je zwei Sitze bleiben für die evangelische und die katholische Kirche sowie einer für eine Vertreterin der Frauenarbeit beider Kirchen und die Vertretung der israelitischen Religionsgemeinschaften.

Aufhorchen läßt dagegen die Entscheidung, daß künftig kein Platz mehr für die Vertriebenenorganisationen sein soll, die bislang zwei Mitglieder in den Rundfunkrat entsenden. Dafür dürfen sich die Umweltverbände freuen, sie werden künftig zwei statt ein Mitglied schicken können.

Entsprechend aufgestockt werden auch die Migranten. Dagegen muß der Landesbauernverband seinen Sitz im Wechsel mit den Landfrauen teilen. Ein Regierungssprecher in Stuttgart hat das Vorhaben im großen und ganzen mittlerweile bestätigt, eine offizielle Verlautbarung aber erst für nach dem 23. Oktober angekündigt.

Die Berliner Zeitung spricht süffisant und treffend davon, daß Grün-Rot hier „offenbar die eigene Klientel zu stärken versucht“. Kein Wunder, daß dabei auch eine Frauenquote, der Grünen liebstes Kind, nicht fehlen darf. Auch wenn es die Sitzverteilung im Rat kompliziert macht. Denn wer mehr als einen Sitz hat, muß künftig die Geschlechter, so möglich, hälftig berücksichtigen. Aus diesem Grund werden künftig auch Gruppen gebildet: So haben Arbeitgeber und Gewerkschaften jeweils insgesamt vier, der Kulturblock drei Mitglieder. Wer nur einen Sitz stellt, muß spätestens nach der dritten Entsendungsperiode (das wäre dann nach 15 Jahren) das zunächst nicht zum Zuge gekommene Geschlecht in den Rundfunkrat entsenden.

Die betroffenen Verbände reagierten bislang unterschiedlich. Scharfe Kritik äußerte das langjährige Rundfunkratsmitglied Werner Nowack. Er sitzt für den BdV in dem Gremium und mußte aus der Presse von seinem Rauswurf erfahren. Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT sagte er: „Angesichts der Tatsache, daß jeder vierte Bundesbürger Vertriebener ist oder von Vertriebenen abstammt, ist die politische Säuberung der Gremien des SWR unverantwortlich. Das Bundesvertriebenengesetz verpflichtet Bund und Länder, das Kulturgut der Vertreibungsgebiete im Bewußtsein des deutschen Volkes und des Auslandes zu erhalten und weiterzuentwickeln.“ Bei der Umsetzung dieses Auftrages seien die öffentlich-rechtlichen Sender unverzichtbar.

Auch der Medienbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF), Markus Bräuer, reagierte entsetzt: „Die evangelischen Freikirchen vertreten eine große Zahl christlicher Kirchen. Sie haben im Sendegebiet des SWR eine lange und gute Tradition. Die Muslime an der Arbeit des Rundfunkrates zu beteiligen, wird einen aufgeklärten Dialog der Religionen in der Gesellschaft fördern. Sie aber nur auf Kosten der Freikirchen zu integrieren, ist abwegig.“

Der Protest dürfte aber vermutlich ungehört verhallen. Denn am Ende, wahrscheinlich im Frühjahr 2013, kommt es auf die Mehrheit im Landtag an – und die hat Grün-Rot.

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