© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/12 19. Oktober 2012

Hoffnung auf einen konservativen Rollback
Eine Aufsatzsammlung anläßlich seines 85. Geburtstags beleuchtet einige Forschungsschwerpunkte des Politikwissenschaftlers Klaus Hornung
Andreas Graudin

Zum 85. Geburtstag des emeritierten Politikwissenschaftlers Klaus Hornung hat der Philosoph Harald Seubert eine Anthologie von dessen Aufsätzen herausgegeben, die die ganze Bandbreite der geistigen Quellen eines spezifisch deutschen Konservatismus darlegt, der sich vom britischen ordoliberalen Torytum ebenso abgrenzt wie von den französischen Gegenrevolutionären aber auch von der deutschen Konservativen Revolution der Zwischenkriegszeit. Hornung gehört damit zu jener Spezies eines freiheitlichen Konservatismus, die von Günter Rohrmoser angeführt und, nach dessen Tod, von ihm selbst und Harald Seubert repräsentiert wird.  

Dieser Konservatismus ist ohne das Christentum nicht denkbar und zugleich ein Konservatismus der Aufklärung. Dieser zeichnet sich durch seinen illusionslosen Blick auf den Menschen und seine Fehlerhaftigkeit als Mängelwesen aus. Diesen unverstellten Blick auf die Fakten überträgt dieser Konservatismus auf die Politik und fragt dort ausschließlich nach Interessen und Akteuren und nicht nach ihrer austauschbaren ideologischen oder religiösen Verpackung. Bismarck kann als Prototyp eines solchen Typus gelten, weshalb Hornung dem Eisernen Kanzler und dem preußischen Konservatismus gleich zwei Aufsätze widmet.

Klaus Hornung gehört zum letzten Jahrgang der Kriegsgeneration. Die Erfahrung des Nationalsozialismus legte den Grundstein für seine antitotalitäre Forschungsarbeiten der Jahrzehnte nach dem Krieg. Die wichtigen Jahre als Schüler des Historikers Hans Rothfels in Tübingen spiegelt die biographische Hommage an seinen akademischen Lehrer und Mentor. Die saubere, unbestechliche wissenschaftliche Methode des Historikers findet sich Jahrzehnte später nicht zuletzt in den Biographien zu Scharnhorst und Groener wieder.

Der Anbiederung und der Verharmlosung der kommunistischen Herausforderung und der allmählich einsetzenden Aufweichung des antitotalitären Konsenses durch einen einseitigen Antifaschismus trat Hornung vehement entgegen. Stets wies Hornung auf den stalinistischen Ursprung des „Antifaschismus“ als kommunistisches Vehikel im Meinungskampf hin. Dies ist die politikwissenschaftliche Seite des Hornungschen Gesamtwerks. Sie findet sich ebenfalls in der Aufsatzsammlung in Form einer Würdigung seines verstorbenen Freundes, des Historikers François Furet wieder. Eines in Frankreich unvergessenen Intellektuellen und Mitgliedes der Academie Française, der unter dem Eindruck von Solschenizyns Epos „Der Archipel Gulag“ dem Kommunismus den Rücken kehrte.

In einer biographischen Abhandlung zu Jacob Talmon erinnert Hornung an einen weiteren prominenten Vertreter der antitotalitären Politikwissenschaft, dessen Werk die Gesetzmäßigkeit und Interaktion von säkularer messianischer Heilserwartung und Terror im 19. und 20. Jahrhundert offenlegt. Der Aufsatz kann als Aufforderung an einen jungen noch unbekannten Historiker oder Politikwissenschaftler verstanden werden, Person, Lebensweg und Werk Talmons zu einer Biographie auszubauen. Stoff für eine anspruchsvolle und womöglich aufsehenerregende Dissertation liefert Jacob Talmon allemal.

In diesem Kontext darf Alexis de Tocqueville nicht fehlen. Klaus Hornung widmet ihm gleichfalls einen Aufsatz, was kaum verwundert, denn Hornung zählt zu den profunden Kennern des „Regenpfeifers der totalitären Despotien“. In Aufsätzen für die Zeitschrift Der Staat oder auch im „Lexikon des Konservatismus“ widmete er dem Nestor der neuzeitlichen Politikwissenschaft seine wissenschaftliche Aufmerksamkeit. Der Aufsatz gibt eine Ahnung, was diese Wissenschaft unter konservativem Vorzeichen in Deutschland zu leisten imstande wäre, wenn sie dereinst die linke und linksliberalgrüne Vorherrschaft und die sogenannte Frankfurter Schule von Marcuse bis Habermas hinter sich läßt und sich zur „strategischen Wissenschaft“ weiterentwickelt.

Eine neuere biographische Skizze zu George F. Kennan, in der sowohl an die sehr frühzeitige richtige Einschätzung des Charakters der Sowjetunion, wie auch des konservativen Widerstands unter dem NS-Regime durch den US-Diplomaten hingewiesen wird, rundet die Sammlung ab. Der Beitrag verbindet mit der Geschichte des deutschen Widerstandes und der des „Kalten Krieges“ Klaus Hornungs lebenslange Forschungsschwerpunkte.

Über Jahre und Jahrzehnte stand Klaus Hornung im Studienzentrum Weikersheim, des ältesten wissenschaftlichen Denkzirkels in Deutschland, in Führungsverantwortung, zeitweilig als dessen Präsident. Dieser Tatsache, vor allem aber der privaten Verbundenheit wegen, hat der derzeitige Präsident des Studienzentrums, Harald Seubert, das Vorwort geschrieben und die Herausgeberschaft übernommen. Das Buch wird damit nicht bloß entsprechend seiner blauen Umschlagfarbe zu einer Fortsetzung der vielleicht bald wiederauferstehenden Weikersheimer Hochschulschriften. Die feste, nicht nur provisorische Etablierung eines konservativen Denkzirkels im geistig-politischen Raum war und ist ein Herzensanliegen des Jubilars, das mit der personellen Verknüpfung der Bibliothek des Konservatismus und des Studienzentrums Weikersheim in der Person Harald Seuberts ein Stückchen näher gerückt ist.

Harald Seubert (Hrsg): Klaus Hornung – Vernunft im Zeitalter der Extreme. Die konservative Position. VTR Verlag, Nürnberg 2012, broschiert, 240 Seiten, 19,95 Euro

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