© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/12 02. November 2012

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Draghis Blüten
Henning Hoffgaard

Davon kaufe ich dir ein Haus“, ruft ein Jugendlicher freudestrahlend. Seine Freundin hat offenbar ein bißchen mehr im Sinn und antwortet tadelnd: „Nur, wenn es auf den Malediven liegt.“ Während die beiden Jungverliebten noch über den genauen Standort und die mögliche Inneneinrichtung diskutieren, läuft die symbolisch aufgebaute Notenpresse des Verbandes der Jungen Unternehmer direkt vor dem Reichstag immer weiter.

Ein 100.000-Euro-Schein nach dem anderen wird verteilt. So mancher Grundschüler hat sich allerdings zu früh über den unerwarteten Geldregen gefreut. Statt mehr Taschengeld findet er auf den A5 großen Banknoten Informationen zu Staatsanleihenkäufen der Europäischen Zentralbank. Die wahrscheinlich bereits avisierte neue Spielkonsole muß also noch etwas auf sich warten lassen.

Dagegen sehen die etwa 15 Demonstranten von den Jungen Unternehmern ganz zufrieden aus. Der Andrang von Journalisten, Touristen und Berlinern ist groß. Viele sind erstaunt, als sie erfahren, welche Gefahren der Kauf von maroden Staatsanleihen auch für ihr Portemonnaie mitbringt. „Diese Geldpolitik führt zur Inflation“, ruft ein Jungunternehmer. Die Vermögen der Deutschen und deren Altersvorsorge liefen derzeit Gefahr, auf dem Altar der Euro-Rettungspolitik geopfert zu werden. Die Vorsitzende des Verbandes, der etwa 2.500 Mitglieder zählt, Marie-Christine Ostermann, stellt sich währenddessen ruhig den Fragen. „Wir verteilen hier Blüten, um zu zeigen, wohin die Notenpressenpolitik führt.“ So verlören die Bürger ihr Vertrauen in den Staat und das Geld, sagt sie resolut.

Die adrette Unternehmerin weist auf die etwa 220 Milliarden Euro hin, die von der EZB bereits für Anleihen der maroden Euro-Mitgliedsstaaten ausgegeben wurden. „Es hat offenbar nicht viel gebracht“, resümiert sie. Die Demonstration findet natürlich nicht zufällig statt.

Während die Notenpresse vor dem Reichstag heißläuft, sitzt EZB-Chef Mario Draghi drinnen bei der Unionsfraktion und spricht über jene Politik, die ihm aus den Reihen von CDU und CSU in den vergangenen Wochen Spitznamen wie „Falschmünzer“, „Geldvernichter“ oder „Vertragsbrecher“ eingebracht haben. Der Italiener redet von „geldpolitischen Transmissionen“, Leitzinsen und angeblich „imaginären Katastrophenszenarien“. Abgeordnete, die mit dem mächtigen Banker diskutieren wollen, haben jeweils ganze zwei Minuten Zeit für ihre Fragen. Der haushaltspolitische Sprecher der Union, Norbert Barthle (CDU), sagt anschließend offenbar sichtlich beeindruckt, als „preußischer Südeuropäer“ sei ihm der EZB-Chef erschienen.

Das dürften die Jungen Unternehmer anders sehen. „Finger weg von der Notenpresse“, rufen sie in Richtung Reichstag. Draghi, der nach eigenen Angaben gekommen ist, um zuzuhören, dürfte von den Warnungen hinter den dicken Wänden des Reichstags nichts mitbekommen haben. Sollten seine ehrgeizigen Euro-Rettungspläne scheitern, wird man zum Kauf einer Spielkonsole irgendwann vielleicht tatsächlich einen 100.000-Euro-Schein brauchen.

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