© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/12 02. November 2012

Schnitt ins eigene Fleisch
Leistungsschutzrecht: Verlage gehen auf Konfrontationskurs zu Google / Streit um Verlinkungen
Ronald Berthold

Es ist gar nicht lange her, da begannen die Suchmaschinenoptimierer der Verlage hektisch an ihren Rechnern zu arbeiten. Ihr Ziel: Den Artikel ihrer Zeitung zu einem aktuellen Thema bei „Google News“ ganz oben zu plazieren. Der Text sollte in dem Online-Portal als Aufmacher – und nicht in der darunterliegenden Rubrik „20 ähnliche Artikel“ erscheinen. Die Strategen der Medien hatten Google als optimale Vermittlungsagentur erkannt, möglichst viele Menschen auf die eigenen Seiten zu locken. Sie folgten der Gleichung: Je mehr Klicks desto mehr Werbeeinnahmen.

Doch die Auflagen sinken, aus den Klicks läßt sich noch kein Geld machen. Die Verlage reagieren. Sie führen Bezahlschranken ein. Ab kommendes Jahr wird auch Springers Welt im Internet kostenpflichtig. Auch die FAZ denkt über ein solches Modell nach. Den Verlegern reichte das nicht. Sie übten massiven Druck auf die Politik aus, ein Leistungsschutzrecht gesetzlich zu verankern. Die Suchmaschinen sollen dafür bezahlen, daß sie auf Pressetexte verweisen. So einigte sich die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag auf eine solche Regelung. Dort hieß es: „Verlage sollen im Online-Bereich nicht schlechter gestellt werden als andere Werkvermittler.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte dies den Medienkonzernen versprochen: „Verlegerische Leistungen kosten Zeit und Geld. Deswegen kann ich auch gut verstehen, daß ein Leistungsschutzrecht für Verleger gefordert wird“, begründete sie ihre Haltung.

Innerhalb eines Jahres sollen Google und Co. für die Verlinkung von Pressetexten bezahlen. Eine Verwertungsgesellschaft – ähnlich der Gema für die Musikbranche – sammelt die Gelder ein. Die Suchmaschinen wehren sich.

Google etwa drohte mit einer Klage. Das Unternehmen argumentiert, es verlinke nur Texte, die die Verlage ohnehin ins Netz stellen. Eigentlich betrieben sie Werbung für die Internetseiten der Zeitungen. Die einfachste Methode für Google, den Zahlungen zu entgehen, wäre, auf diesen Service zu verzichten.

Doch wem wäre damit gedient? Google News wird vor allem von Journalisten genutzt, die sich bei dem Thema, das sie bearbeiten, schnell auf den neuesten Stand bringen und mit einem Blick erkennen, ob die Konkurrenz vielleicht das eine oder andere Detail mehr recherchiert hat. Die Suchmaschinen bieten ihnen einen Service, der ihnen in Zeiten geringer Personalstärke in den Redaktionen die Arbeit erleichtert. Auch auf Zeitungen mit Bezahlschranken wird verwiesen. Die Verlage generieren also schon jetzt Geld mit der Verlinkung.

Insofern erscheint das Leistungsschutzrecht vor allem als zusätzliche Geldeinnahme der Verlage zu fungieren. Die Gegner der Regulierung, zu denen auch zahlreiche Journalisten und sogar der Deutsche Journalistenverband Berlin-Brandenburg gehören, zeigten sich verwundert. Jeder Verlag, so meinen sie, könne seine Angebote ganz einfach schützen, indem er sie eben nicht gratis online stellt. Niemand zwinge sie dazu, Presseberichte von Suchmaschinen scannen zu lassen.

Durch einen sogenannten Indizierungssauschluß könnten sie das blockieren. Der frühere FAZ-Medienredakteur und heutige Spiegel-Autor Stefan Niggemeier schlußfolgert, „die Verlage können Google mit einfachsten Programmbefehlen dazu bringen“, keine Vorschauen auf eigene Berichte anzuzeigen. Und es sei sogar machbar, „das für jeden Artikel, den die Verlage veröffentlichen, einzeln zu bestimmen“. Die Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht (IGEL) sieht mit dem Gesetz „die Interessen Dritter und das Gemeinwohl“ berührt. In der Tat könnte die Informationsfreiheit im Netz dadurch eingeschränkt werden. Und IGEL findet sogar bei Verlegern Unterstützung: so etwa von Georg Schäff, der den Ingolstädter Donaukurier herausgibt.

In Frankreich, das nach deutschem Vorbild den Leistungsschutz verankert hat, ist der Konflikt bereits eskaliert. Google hat in einem Brief an die französische Regierung gedroht, unter seinen Treffern keine mehr aus den Medien Frankreichs anzuzeigen. Und siehe da: Das Ministerien für digitale Wirtschaft setzt nun auf eine „versöhnliche Lösung“. Denn eine ausbleibende Verlinkung würde die hochsubventionierten französischen Verlage schädigen.

Wie bigott die Verleger auch hierzulande argumentieren, zeigt, daß deren Suchmaschinenoptimierer keineswegs ihre Arbeit eingestellt haben. Google soll ihre Texte weiterhin prominent anzeigen. Nur dafür wollen die Verlage jetzt Geld.

 

Googles Monopolstellung

Fast 90 Prozent der Deutschen nutzen bei ihrer Suche im Internet Google. Diese Monopolstellung ist nicht unumstritten. Kritiker verweisen auf die undurchsichtigen Suchalgorithmen und einen zweifelhaften Datenschutz des US-Unternehmens. Zudem kooperiert Google bei der Zensur von Sucheinträgen eng mit Regierungen. Allein Deutschland beantragte im Zweiten Halbjahr 2011 mehr als 1.700 Löschungen. Damit liegt die Bundesrepublik hinter den Vereinigten Staaten (6.000) auf dem zweiten Platz.

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