© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/12 09. November 2012

Undeutliche Rechtslage
Innere Sicherheit: Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Rheinland-Pfalz zu Polizeikontrollen aufgrund der Hautfarbe sorgt für Diskussionen
Lion Edler

Das aufsehenerregende Urteil zu Polizeikontrollen, die aufgrund der Hautfarbe des Kontrollierten (JF 45/12)veranlaßt werden, sind die Reaktionen kontrovers ausgefallen. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz gab in der vergangenen Woche einem schwarzen Studenten recht, der gegen eine Ausweiskontrolle während einer Zugfahrt klagte (Az.: 7 A 10532/12.OVG).

Der deutsche Staatsbürger war im Dezember 2010 von Polizisten aufgefordert worden, seinen Ausweis zu zeigen. Nachdem er sich weigerte, mußte er mit auf die Polizeiwache, wo sein Rucksack durchsucht wurde. Einer der Beamten sagte später vor Gericht, er spreche bei Kontrollen Reisende an, die ihm wegen der Hautfarbe als Ausländer erschienen. Allerdings sei ihm der Kläger auch verdächtig vorgekommen, weil er durch den voll besetzten Zug gegangen sei. Er hätte in einer vergleichbaren Situation auch jeden anderen Passagier einschließlich der Richterin nach ihrem Ausweis gefragt. Dennoch war der Senat am Ende „der Meinung, daß die Hautfarbe das ausschlaggebende Kriterium für die Kontrolle war“, so die Vorsitzende Richterin Dagmar Wünsch. Dies sei „nicht zulässig“.

Damit verwarf das Gericht die Auffassung des Verwaltungsgerichts Koblenz, das die Kontrolle zuvor für rechtmäßig erklärt hatte (Az.: 5 K 1026/11.KO). In Koblenz ging man davon aus, daß es sich bei der Ausweiskontrolle um eine „nur geringfügige Grundrechtsbeeinträchtigung mit einer sehr niedrigen Belastung im Einzelfall“ handle. Der Beamte verwies in dem Verfahren darauf, daß die Bahnstrecke Kassel – Frankfurt am Main nach Erkenntnissen der Bundespolizei für die illegale Einreise genutzt werde. Dies ergebe sich aus einem von der Bundespolizeiinspektion Kassel regelmäßig erneuerten Lagebild. So sei es im dritten Quartal 2010 bei 8.345 Befragungen zur Feststellung von 330 Straftaten und Ordnungswidrigkeiten nach dem Aufenthaltsgesetz und zu Fahndungstreffern gekommen.

Kriterien für eine Kontrolle seien neben dem ausländischen Aussehen auch die Frage, ob der Reisende Gepäck bei sich habe oder ob er alleine irgendwo im Zug stehe. Das Gericht hielt es jedenfalls für „hinreichend plausibel dargelegt, daß die betroffene Bahnstrecke aufgrund von Lageerkenntnissen und entsprechender grenzpolizeilicher Erfahrung zur unerlaubten Einreise genutzt wird“. Der Kläger verkenne, daß das Recht auf informationelle Selbstbestimmung „seinerseits nicht schrankenlos gewährleistet ist“, wie das Gericht mit Berufung auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1983 erklärte. Bei der Kontrolle handle es sich um „einen insgesamt nicht gravierenden Eingriff“, zumal die Notwendigkeit, seine Identität zu belegen, „auch in typischen Situationen des täglichen Lebens“ auftrete, „etwa in Betrieben, Kantinen, bei Veranstaltungen, im Gesundheitswesen oder im Bereich des Arbeitsschutzes“. Daher sei es „hinnehmbar, daß die Einschreitschwelle sehr niedrig angesetzt ist“.

Nachdem das Oberverwaltungsgericht diese Entscheidung verwarf, sprach Amnesty International von einem wichtigen Signal gegen Diskriminierung. Auch die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, zeigte sich erfreut. Mit dem Urteil stehe fest, „daß allein die Hautfarbe eines Menschen kein Kriterium für eine polizeiliche Personenkontrolle sein darf“.

Scharfe Kritik kam hingegen vom Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. „Man sieht wieder einmal, die Gerichte machen schöngeistige Rechtspflege, aber richten sich nicht an der Praxis aus“, erklärte Wendt. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wies darauf hin, daß eine Person nie ausschließlich wegen ihrer Hautfarbe kontrolliert werden dürfe, „und das macht die Bundespolizei grundsätzlich auch nicht“, sagte der GdP-Vorsitzende für die Bundespolizei, Josef Scheuring. Die Hautfarbe könne aber ein Grund für eine Kontrolle sein, wenn ein Täter zuvor entsprechend beschrieben wurde. Im konkreten Fall des schwarzen Studenten sei das Urteil nachvollziehbar.

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