© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/12 16. November 2012

Bundestag entscheidet über Sicherungsverwahrung
Quadratur des Kreises
Günter Bertram

Die Regierungskoalition versucht mit ihrem Beschluß zur nachträglichen Sicherungsverwahrung die Quadratur des Kreises – genötigt vom Bundesverfassungsgericht, das, seinerseits unter dem Druck des Straßburger Menschenrechtsgerichtshofs, im Mai 2011 eine „freiheitsorientierte und therapiegerechte“ nochmalige Neuregelung der leidigen Sache verlangt und dazu zahlreiche lebensfremde (Therapie-euphorische) „Vorgaben“ gemacht hatte. Die Neuregelung ist dementsprechend kompliziert ausgefallen, SPD und Grüne hätten sie gern noch etwas weiter kompliziert. Konsequent das Votum der Linkspartei, in der Sache einstweilen gar nichts zu entscheiden, sondern erst einmal eine Expertenkommission einzuberufen.

Das Dilemma ist aber uralt und liegt im Prinzip des Schuldstrafrechts, das sich für den gefährlichen, aber als schuldlos geltenden Täter für nicht zuständig erklären muß, so daß dem Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft irgendwie anders, auf einer sogenannten zweiten Spur (durch „Maßnahmen“) Rechnung getragen wird. Wo man die Grenze zieht, ist keine Frage der Wissenschaft, sondern der politischen Entscheidung. Der jetzt gefaßte Beschluß ist problematisch genug; die Alternativvorschläge aber vernachlässigen das Sicherheitsproblem noch sorgloser.

 

Günter Bertram war Vorsitzender Richter am Landgericht Hamburg

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