© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/12 16. November 2012

Hauen und Stechen
USA: Nach ihrer Niederlage bei der Präsidentenwahl streiten die Republikaner über ihren künftigen Kurs
Thorsten Brückner

Fox-News-Analyst Charles Krauthammer sorgte noch am Wahlabend für den Auftakt: „Mitt Romney hat Konservatismus als Fremdsprache gesprochen“, sagte er dem Sender. Seitdem streitet die Republikanische Partei über ihren künftigen Kurs.

Schon deutet sich in der Partei eine Kluft zwischen Vertretern der Tea Party an, die in der Niederlage keine strukturelle Ablehnung konservativer Werte sehen, und solchen, die das Erscheinungsbild der Partei generalüberholen wollen. Tea-Party-Anhänger machen neben der bemängelten Profillosigkeit Romneys vor allem kurzfristige Faktoren wie die späte „Oktober-Überraschung“ durch Hurrikan „Sandy“ für die Niederlage verantwortlich. Die Nachwahlbefragungen scheinen ihnen recht zu geben. 42 Prozent der Wähler gaben an, das Krisenmanagement Obamas im Zuge von „Sandy“ sei ein wichtiger Teil ihrer Wahlentscheidung gewesen.

Im Fokus der Tea-Party-Kritik steht vor allem New Jerseys Gouverneur Chris Christie. Der Republikaner hatte das Eingreifen des Präsidenten gelobt und ihm dadurch die Möglichkeit gegeben, sich als überparteilicher und führungsstarker Macher zu inszenieren. Die Mehrheit der Konservativen sieht die Probleme, die zur Niederlage führten, jedoch auf struktureller Ebene. Man habe die weiße Mittelschicht nicht erreichen können, kritisierte der in den Vorwahlen unterlegene Rick Santorum. Romney sei bei dieser Klientel, den „Blue collar“-Wählern, die Ronald Reagan erstmals 1980 an die Republikaner binden konnte, als jemand wahrgenommen worden, der sich nicht mit der Lebenswirklichkeit des einfachen Arbeiters identifizieren könne.

Obama gelang es, Romney bei dieser Wählerschicht als Vertreter eines ungezügelten Finanzkapitalismus darzustellen. Bereits in den republikanischen Vorwahlen war es Santorum gelungen, Romney bei dieser Gruppe gerade in wichtigen Bundesstaaten wie Ohio auf Distanz zu halten.

Schon mehren sich erste Stimmen, selbst vom rechten Flügel der Partei, die wie Verleger Bill Kristol fordern, Steuererhöhungen für die Reichen nicht mehr zu blockieren. Obama hatte gefordert, die Steuervergünstigungen für diejenigen zu streichen, die mehr als 250.000 Dollar im Jahr verdienen. Kristol drängt nun die Republikaner, die im Repräsentantenhaus erneut über eine Mehrheit verfügen, hierüber mit Obama in Verhandlungen zu treten, die Grenze auf 500.000 oder eine Million Dollar anzuheben und im Gegenzug Steuererhöhungen zuzustimmen. „Die Republikaner laufen ins eigene Messer, wenn sie Millionäre verteidigen, die zur Hälfte ohnehin die Demokraten gewählt haben“, warnte Kristol.

Andere wie New Yorks früherer Bürgermeister Rudy Giuliani fordern, die Partei müsse sich von sozialkonservativen Themen wie Abtreibung oder Homo-Ehe zurückziehen. „Wir müssen aus den Schlafzimmern der Menschen raus“, mahnte Giuliani. „Andernfalls schenken wir den Demokraten weiter alle Staaten im Nordosten und Westen des Landes.“

In den Nachwahlbefragungen hatte sich eine deutliche Mehrheit für die Beibehaltung legaler Abtreibungen ausgesprochen. Auch unterstützte eine Mehrheit des Elektorats die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen. Da gerade die sozialkonservativen Evangelikalen etwa 40 Prozent der Parteibasis stellen, scheint dieser Vorschlag am wenigsten mehrheitsfähig. Auch ignorieren solche Wortmeldungen Umfragen, wonach immer noch eine Mehrheit der Amerikaner gegen Abtreibung ist. Auch sind bisher in den meisten Bundesstaaten Referenden zur Legalisierung der Homo-Ehe gescheitert.

Der dritte Reformvorschlag zielt darauf ab, Minderheiten stärker zu gewinnen. Gerade die schnell wachsende Gruppe der Latinos, die bei der Wahl 2004 noch zu 44 Prozent für George W. Bush gestimmt hatte, lief dieses Mal stärker als 2008 zu den Demokraten. Analysten wie Krauthammer fordern daher die Republikaner auf, sich unter Beibehaltung ihrer konservativen Ausrichtung in Fragen illegaler Einwanderung zu bewegen und im Zuge strengerer Grenzsicherung den sich illegal im Land befindlichen Latinos einen Weg zur Staatsbürgerschaft zu ermöglichen.

Romneys Forderung nach „Selbstdeportationen“ stieß bei weiten Teilen der Latinos auf scharfe Ablehnung. Obama gewann diese Gruppe unter anderem durch ein Aussetzen von Abschiebungen Jugendlicher. Durch Latinos wie New Mexicos Gouverneurin Susana Martinez oder Floridas Senator Marco Rubio soll diese Botschaft in Zukunft auch personell glaubwürdig vertreten werden. Politico-Chefredakteur John Harris geht sogar davon aus, Mitt Romney und Paul Ryan seien das letzte rein weiße Gespann gewesen, das für die Republikanische Partei bei Präsidentschaftswahlen antrat.

Heiß diskutiert wird auch die Rolle der Tea Party. Diese war 2010 maßgeblich verantwortlich für die begeisterte Stimmung der Basis, die zur republikanischen Übernahme des Repräsentantenhauses geführt hat. Analysten melden jedoch Zweifel an, ob die Themensetzung der Tea Party dazu geeignet ist, neue Wählerschichten zu erschließen und kritisieren, daß die Bewegung in ihrem Auftreten und ihrer Rhetorik häufig zu konfrontativ wirkt. „Die zornige Art der Tea Party ist keine, die neue Wähler gewinnt, und die Andersdenkenden ihre Hand ausstreckt und ihnen zuhört“, so Ronald Reagans frühere Redenschreiberin Peggy Noonan.

Währenddessen spekulieren die US-Medien bereits über das neue Kabinett. Viele glauben, daß nach dem angekündigten Abgang von Hillary Clinton der demokratische Präsidentschaftsbewerber von 2004, John Kerry, das Außenministerium erhält. Darüber würden sich sogar die Republikaner freuen. Stünde doch so Kerrys Senatssitz zur Wahl, was dem gerade abgewählten republikanischen Senator von Massachusetts, Scott Brown, erneut die Chance zum Mandatsgewinn eröffnen würde.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen