© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/12 16. November 2012

„Die Küste gehört nicht zu Kenia“
Ostafrika: Der moslemisch geprägte Mombasa Republican Council kämpft für die Unabhängigkeit der kenianischen Küstenprovinz
Marc Zöllner

Sie kamen kurz vor Morgengrauen. Hunderte kenianische Soldaten und Polizisten umzingelten das Anwesen, nachdem Agenten bereits Wochen zuvor die umliegenden Dörfer nach Fluchtmöglichkeiten ausgespäht hatten. Als Ziel galt die Festnahme Omar Hamisi Mwamnwadzis. Die Order war, ihn unbedingt lebend zu fassen. Doch was als schneller Zugriff gepant war, mutierte zu einer Belagerung, die mehrere Stunden dauerte und drei Leben kostete.

Daß Mwamnwadzi nicht zu unrecht als gefährlichster Mann Ostafrikas gilt, hatte er auch an diesem Morgen wieder einmal unter Beweis gestellt. Dutzende junge Männer scharte er die Tage vorher um sich, schwer bewaffnet mit Maschinengewehren und Brandbomben, aber auch mit traditionellen Bögen, Speeren und Macheten. Anhänger, die bereit waren, seine Flucht nach Tansania zu decken. Ein Medizinmann segnete Mwamnwadzis Heerschar vor dem Kampf.

Als Anführer der ostafrikanischen Separatistengruppe Mombasa Republican Council (MRC) legt Omar Mwamnwadzi Wert auf solch Schauspiel. „Pwani si Kenya“, lautet sein Motto. Die Küste gehört nicht zu Kenia. Anderthalb Millionen Menschen, behauptet er stolz, würden ihm in seinem Streben nach einem eigenen Staat bereits folgen. Nicht alle von ihnen stammen aus der Küstenprovinz. Die Zentralregierung in Nairobi erhebt immer öfter schwere Vorwürfe, der MRC rekrutiere seine militanten Anhänger auch aus Somalia, wo unzählige Kenianer in den Reihen der islamistischen Al-Shabaab-Miliz dienen. Auch nach Sansibar führen Spuren, ebenso in die sudanesische Hauptstadt Khartum, die Nairobi als Waffenlieferant für verschiedenste Unabhängigkeitsbewegungen Ostafrikas verdächtigt.

Nach der blutigen Verhaftung Mwamnwadzis stürmten maskierte MRC-Männer das Haus eines hochrangigen Beamten und töteten ihn auf brutale Art mit Machetenhieben. Anfang November verübten Unbekannte einen Sprengstoffanschlag auf eine Kirche der ostkenianischen Stadt Garissa. Acht Besucher des Gottesdienstes wurden verletzt, der Pfarrer selbst erlag seinen Wunden. Auch dieses Attentat wird dem MRC zugeschrieben.

Offiziell geben sich die Separatisten betont unkonfessionell und begründen ihren Abspaltungswillen vom Rest Kenias mit wirtschaftlichen Gründen. In der Tat könnte die ökonomische Kluft zwischen der Küste und dem Binnenland kaum größer sein.

Ostafrikas marginaler Wohlstand rührt vor allem vom Tourismus, aus den Einnahmen der unzähligen Hotels und Resorts zwischen Mombasa und Daressalam. Doch diese sind zum Großteil im Privatbesitz ehemaliger Präsidenten Kenias und Tansanias sowie einflußreicher Minister und Abgeordneter. Jedes Jahr strömen Tausende neue Gastarbeiter aus dem Hinterland in die Küstenprovinz. Sie arbeiten zu Dumpinglöhnen, bringen ihre eigene Kultur, Sprache und Religion mit. Allein im multikulturellen Kenia leben über 40 verschiedene Völker, ein Umstand, mit welchem sich viele Bewohner der ethnisch einst homogenen moslemischen Küstenregion in ihrer Provinz nicht arrangieren mögen.

Das von Omar Mwamnwadzi 1999 gegründete MRC verspricht seinen Anhängern nicht nur die Bewahrung ihrer eigenen Identität. Ebenso möchte man den erarbeiteten Wohlstand von Nairobi zurück nach Mombasa transferieren und verweist auf den wirtschaftlichen Aufschwung der somalischen Provinzen Puntland und Somaliland nach deren Abtrünnigkeit. Auch mit anderen Separatistenorganisationen arbeitet man von daher eng zusammen, berichtet ein Sprecher im Interview mit der JF.

Die Biafra-Bewegung im Osten Nigerias gilt als Bruderpartei. Mit den islamistischen Rebellen der tansanischen Insel Sansibar strebe man eine enge Kooperation an.

Auch dort gärt es innerhalb der sich vernachlässigt fühlenden Bevölkerung gegen die Regierung in Dodoma. Seit einem tragischen Fährunglück im Juli 2012 kommt es immer wieder zu gewaltsamen Ausschreitungen. Überdies berufen sich beide Gruppierungen auf einen 1890 zwischen Großbritannien, Deutschland sowie dem Sultan von Sansibar geschlossenen Pachtvertrag, und begründen dadurch ihre Unabhängigkeit von Kenia und Tansania.

„Natürlich stimmt es, daß wir eine hohe Prozentzahl an Moslems haben“, erklärt ein Sprecher des MRC der JF. „Doch unser Land wird demokratisch werden. Jeder kann hier leben und am Aufbau unseres Staates teilhaben.“ Mit Namen genannt werden möchte er allerdings nicht. Zu leicht, berichtet er, setze man sich der politischen Repression aus. Oftmals reiche es, allein ein T-Shirt mit dem Slogan des MRC zu besitzen, um über Jahre verhaftet zu werden.

Bei Gefechten zwischen dem MRC und der kenianischen Staatsgewalt starben allein seit August über hundert Menschen. Omar Hamisi Mwamnwadzi kam nach seiner Verhaftung jedoch noch einmal mit dem Schrecken davon. Ein Abgeordneter des Parlamentes in Nairobi zahlte Kaution für ihn; umgerechnet rund 170.000 Euro.

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