© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/12 16. November 2012

EU-Rechnungshof beklagt wachsende Milliardenverschwendung
Von Versailles nach Brüssel
Markus Brandstetter

Versailles war die Residenz des Ancien régime. Brüssel ist die Heimstatt des neuen EU-Regimes. Beide haben mehr gemein als man denkt, war doch nicht nur der Palast des französischen Sonnenkönigs ein System grandioser Verschwendung. Zwei Jahrhunderte hindurch flossen jedes Jahr zehn Prozent des französischen Staatsetats in die Hofhaltung. Das Ende ist bekannt.

In der EU beträgt die Verschwendung von öffentlichen Mitteln offiziell nur vier Prozent, wie der aktuelle Jahresbericht 2011 des EU-Rechnungshofs (EuRH) feststellt. Darauf ist die EU mächtig stolz, denn die fehlerhaften Zuteilungen von Fördermitteln, die der EuRH jedes Jahr untersucht, haben im Jahr 2006 ja schon einmal 7,3 Prozent betragen. Von den 130 Milliarden Euro, die der EU-Haushalt im vorigen Jahr betrug, wurden angeblich also „nur“ schlappe 5,1 Milliarden Euro verschwendet – wenn das kein Grund zum Feiern ist.

Von den EU-Ausgaben floß – wie jedes Jahr – der Löwenanteil (34 Prozent/44 Milliarden Euro) in Subventionen für die Landwirtschaft. Erstaunliche 39 Prozent davon bekamen Empfänger, die dazu überhaupt nicht berechtigt waren. So hat die EU ganze Landstriche in der reichen italienischen Lombardei und im spanischen Galicien als Weideland bezuschußt, obwohl genau da alles bewaldet ist – und zwar seit Jahrhunderten. Da hat offenbar irgendein Bürokrat den Wald vor lauter Gräsern nicht gesehen.

Im Sektor Regionalpolitik, Energie und Verkehr sind 59 Prozent der EU-Fördermaßnahmen von „Fehlern betroffen“. So wurde irgendwo – der EuRH nennt ungern Namen und Länder – der Bau einer Erdgasleitung ohne die vorgeschriebene Ausschreibung gefördert. Woanders hat einer Zuschüsse für den Kauf von Werkzeugmaschinen erhalten, dabei aber glatt vergessen, die Verkaufserlöse für die alten Maschinen von den Fördergeldern vorher abzuziehen. Dafür gibt es dann schon mal eine zarte Rüge aus Luxemburg, wo der EuRH seinen Sitz hat und seine 800 Mitarbeiter viel Zeit damit verbringen, Dinge nicht zu merken.

Auch bei den Fördermaßnahmen für die ländliche Entwicklung gibt es mitunter Probleme: 57 Prozent der Zuteilungen sind hier fehlerhaft. Ebenfalls in der Lombardei (auf Sizilien und in der Walachei lief dagegen alles korrekt?) wurde eine Anlage zur Verarbeitung von Trockenobst subventioniert. Betrüblicherweise ging der Förderbetrag gänzlich in das neue bäuerliche Privathaus. Da werden viele EU-Bürger nun auf ihr Trockenobst verzichten müssen.

Überlegt man richtig, gibt es doch ein paar Unterschiede zwischen Versailles und Brüssel. Versailles ist das bedeutendste Barockschloß auf der Welt und wird jedes Jahr von zig Millionen Besuchern besichtigt. So ganz sinnlos war sein Bau also nicht. Die Verwaltungskasernen der EU wird nach ihrem Untergang kein Mensch mehr besichtigen.

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