© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/12 23. November 2012

Studie zur NS-Vergangenheit beim Bund der Vertriebenen
Ja, und?
Thorsten Hinz

Je länger der Nationalsozialismus zurückliegt, desto mehr Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wirft er ab. Die neueste ist eine Studie, welche die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, unter öffentlichem Druck beim Institut für Zeitgeschichte (IfZ) selbst in Auftrag gegeben hatte. Die Historiker kommen darin zu dem Schluß, „daß eine überwiegende Anzahl der damaligen Präsidiumsmitglieder in sehr unterschiedlicher Weise in das NS-Regime eingebunden oder durch eigene NS-Aktivitäten belastet war“.

Ja, und? Auch bei den Vertriebenen und ihren Funktionären war das ganze Spektrum menschlicher Verhaltensweisen versammelt. Die völkermörderische Vertreibung der Ostdeutschen kann das nicht entschuldigen. Das Ergebnis der Studie wird dennoch umgehend von jenen ausgeschlachtet, denen das Anliegen des BdV grundsätzlich nicht schmeckt. Es gehört zur bundesdeutschen Schizophrenie, einerseits den Nationalsozialismus als ein totalitäres Machtsystem zu beschreiben und andererseits den Menschen vorzuwerfen, daß sie sich in ihrer Mehrheit entsprechend verhalten und in die Umstände gefügt haben.

Nur wenige besitzen die Fähigkeit zum Widerstand oder zur Verweigerung. Das gilt in allen Systemen. Auch die grobschlächtige Vergangenheitsbewältigung züchtet und favorisiert Charaktereigenschaften, die ohne weiteres diktaturkompatibel sind.

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