© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/12 23. November 2012

Schrecken ohne Ende
Studentenverbindungen: Auf einem außerordentlichen Verbandstag in Stuttgart will die Deutsche Burschenschaft einen Weg aus der Krise suchen
Christian Vollradt

Bei der Deutschen Burschenschaft (DB) steht es auf Messers Schneide. Zuletzt waren die internen Spannungen und Konflikte im traditionsreichen Dachverband studentischer Verbindungen so heftig, daß Anfang Juni der Burschentag in Eisenach – das höchste beschlußfassende Gremium – ergebnislos abgebrochen werden mußte (JF 24/12). Am Wochenende nun soll in Stuttgart der Burschentag „außerordentlich“ fortgesetzt werden.

Wie vor einem halben Jahr in Eisenach ist das Reizthema vor allem der Umgang mit tatsächlichen oder – je nach Standpunkt – angeblichen rechtsextremen Tendenzen in einzelnen DB-Bünden. Außerdem setzt sich der Machtkampf der zwei konträren Lager fort, der für die faktische Spaltung des Verbands verantwortlich ist (JF 23/12). Auf der einen Seite steht die häufig als rechts apostrophierte Burschenschaftliche Gemeinschaft (BG), auf der anderen Seite stehen die liberalen und liberal-konservativen Verbindungen, von denen sich ein großer Teil in der noch relativ jungen Initiative Burschenschaftliche Zukunft (IBZ) zusammengeschlossen hat. Die IBZ ist bewußt als Gegenstück zur BG entstanden, da man ihr einen zu großen Einfluß auf die Geschicke des Gesamtverbands vorwirft.

Da sich beide „Parteien“ seit dem Treffen in Eisenach unversöhnlich gegenüberstanden, stehen die Chancen für eine Einigung in Stuttgart eher schlecht. Andererseits schließen vor allem die Mitgliedsbünde der IBZ ein „Weiterwursteln“ wie bisher kategorisch aus. Heißt im Klartext: Kommt es nicht zu einer Lösung, werden erneut mehrere Burschenschaften aus der DB austreten. Genau diese Drohung stößt bei der Burschenschaftlichen Gemeinschaft auf Kritik, denn darin zeige sich, so BG-Sprecher Raphael Thiermann, „daß es Bünde gibt, die offenbar Probleme damit haben, demokratische Entscheidungen zu akzeptieren“. Für die BG habe die „Einheit der burschenschaftlichen Bewegung“ Priorität und dies werde auch ihr Abstimmungsverhalten bestimmen. Dementsprechend positiv werte man auch die Gesprächsbereitschaft der IBZ. Kritik übte das Mitglied der Hamburger Burschenschaft Germania jedoch an den im Vorfeld der Stuttgarter Tagung bekanntgewordenen „Maximalforderungen“ der IBZ, „die keinerlei Handlungsspielraum zulassen und der burschenschaftlichen Einheit wenig dienlich sind“. Hintergrund ist der Antrag auf Ausschluß dreier Burschenschaften (Breslauer Raczeks zu Bonn, Dresdensia-Rugia Gießen und Danubia München) wegen „fortgesetzten verbandsschädigenden Verhaltens“, der in Stuttgart auf der Tagesordnung steht.

Ob diese Ausschlußanträge jedoch überhaupt zur Abstimmung kommen, ist ungewiß. Denn es gibt formale Bedenken, da nach derzeitiger Rechtslage in der DB zunächst ein Untersuchungsverfahren eingeleitet werden müßte. Weiteren Konfliktstoff bieten Anträge, mit denen die Unvereinbarkeit zwischen bestimmten Parteien wie etwa der NPD oder der Linkspartei und einer Mitgliedschaft in einer DB-Burschenschaft festgeschrieben werden soll. Auch hierbei stehen formale Bedenken (Stichwort: Gesinnungsschnüffelei) selbst bei denen im Wege, die mit dem Anliegen grundsätzlich sympathisieren. „Das kann natürlich nach hinten losgehen, wenn der Antrag wegen solcher Einwände abgelehnt wird und es in der Presse dann heißt, die Burschenschaft wolle sich nicht von der NPD distanzieren“, ärgert sich ein Burschenschafter. Gleiches gilt für die Idee, DB-Mitglieder auf das Grundgesetz zu verpflichten. Dies verbiete sich schon wegen der zahlreichen Mitglieder aus Österreich, denen eine solche Verpflichtung gleich wieder als großdeutsches Ansinnen ausgelegt werden könnte.

Auch mit dem Schriftleiter der Burschenschaftlichen Blätter, Norbert Weidner, wird sich der Burschentag erneut beschäftigen müssen, da zwei neue Abwahlanträge vorliegen. Im Juli hatte das Landgericht Bonn entschieden, Weidner dürfe als „höchstwahrscheinlich einer der Köpfe der rechtsextremen Bewegung“ bezeichnet werden (JF 30-31/12).

Wer sich mit Burschenschaftern aus unterschiedlich ausgerichteten Bünden über die DB unterhält, bekommt meist zu hören, es mache „keinen Spaß mehr“ zu Veranstaltungen zu fahren. Immerhin könnte es damit nach Stuttgart vorbei sein. Denn auf der Tagungsordnung steht der Antrag, den Verband gleich ganz aufzulösen. Für manchen ist das eine echte Option: „Wenn jetzt die Rettung der Einheit mißlingt, ist es legitim, über die Auflösung abzustimmen. Denn das ermöglicht ein Auseinandergehen in Anstand und damit zu einem späteren Zeitpunkt – wenn sich die Dinge beruhigt haben – einen Neubeginn“, so ein Burschenschafter fatalistisch.

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