© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/12 23. November 2012

„Ein Papa, eine Mama, ganz einfach!“
Frankreich: Auf Großdemonstrationen machen sich die Gegner der Homo-Ehe Luft / Regierung hält an Plänen fest
Friedrich -Thorsten Müller

Das vergangene Wochenende stand in Frankreich unter dem Vorzeichen des sich organisierenden Protestes gegen die geplante Öffnung von Ehe und Adoption für Homosexuelle. Anfang des Monats hatte das Kabinett Hollande den Gesetzentwurf für sein wohl wichtigstes gesellschaftspolitisches Projekt vorgelegt. Im Januar soll dessen Lesung in der Nationalversammlung beginnen.

Ein überparteiliches und überkonfessionelles Bündnis hatte deshalb für Samstag zu einer Großdemonstration in Paris sowie zu einem knappen Dutzend weiterer Demonstrationen in anderen französischen Großstädten aufgerufen. Nach Angaben der Polizei sollen insgesamt „über 100.000 Bürger“ auf die Straße gegangen sein. Die Veranstalter sprechen gar von 200.000 Demonstranten allein bei der „Demonstration für alle“ in Paris.

Wichtig war den Veranstaltern dabei der Hinweis, daß sie keinesfalls als homophob verstanden werden wollen. Es ginge vor allem darum, auch weiterhin sicherzustellen, daß Kinder in Frankreich entsprechend den biologischen Realitäten einen Vater und eine Mutter haben. An den Demonstrationen, die von Losungen wie „Ein Papa, eine Mama, ganz einfach!“ und „Ja zur Familie!“ begleitet wurden, nahmen neben einer größeren Zahl katholischer Geistlicher auch moslemische und jüdische Organisationen teil. Neben konservativen und Front-National-Abgeordneten wurden ebenfalls vereinzelte linke Parlamentarier als Demonstranten gesichtet.

Während am Samstag die Großdemonstration in Paris weitgehend friedlich verlief, mußten die mindestens 5.000 Demonstranten in Toulouse von der Polizei mit Tränengas gegen Übergriffe eines nicht angemeldeten Antifa-Aufmarsches geschützt werden. Dabei kam es zu über 200 Festnahmen. Auch in Lyon, wo 22.000 Bürger gegen die Homo-Ehe protestierten, sah sich die Polizei genötigt einzugreifen.

Deutlich weiter ging am Sonntag die Demonstration konservativer Katholiken und radikaler Rechter wie der Action française, die sich mit ihrem Protest insgesamt gegen die „Homoverrücktheit“ der französischen Gesellschaft positionierten. 15.000 Teilnehmer versammelten sich nach Angaben der Veranstalter im 7. Pariser Arrondissement vor dem Familienministerium und skandierten auf dem Weg zur Nationalversammlung Parolen wie „Frankreich braucht Arbeit und nicht die Homoehe“. Der Vertreter der ausrichtenden katholischen Civitas-Bewegung, Alain Escada, erklärte mit Nachdruck den Zweck der Proteste: „Die Homosexuellenehe ist die Büchse der Pandora, die dazu führen wird, daß andere die Mehrehe oder Inzestheiraten fordern.“

Auch bei der Civitas-Demonstration kam es zu Auseinandersetzungen mit Gegnern. So traten einige Aktivistinnen der ukrainischen Frauenrechtsgruppe „Femen“ wie gewohnt barbusig und sonst als Nonnen verkleidet aggressiv mit – wie sie es bezeichneten – „Spermasprühflaschen“ ausgestattet in Erscheinung. Darüber hinaus bemalten sie ihre Körper mit blasphemischen Slogans wie „In gay we trust“.

Die Presse titelte überwiegend folgerichtig mit „Femen stürmt Anti-Homoehen-Demo“, wenngleich sie weiter von „humoristischen Slogans“ sprach, mit denen die halbnackten Damen beschriftet gewesen seien, was einen eigenartigen Humor verrät. Die sich daraus ergebenden Rangeleien, die von den Ordnungskräften mit Tränengas aufgelöst werden mußten, kommentierte die Regierungssprecherin Najat Vallaud-Belkacem trotzdem unerschüttert mit der Feststellung: „In unserem Land gibt es keinen Platz für die Aggressionen der extremen Rechten.“

Bemerkenswert ist auch, daß sich der FN unter Führung von Marine Le Pen bezüglich des Widerstands gegen die Homo-Ehe auffallend zurückhält. Während einer der zwei FN-Abgeordneten in der Nationalversammlung, Jacques Bompard, wie viele FN-Funktionäre, in Paris sowohl an der Demonstration vom Samstag als auch der vom Sonntag teilnahm, blieb die Vorsitzende den Veranstaltungen fern. Gleichzeitig stellte sie es den Mitgliedern frei, ob sie sich dem Protest anschließen wollen oder nicht. Einmal mehr macht sie damit ernst mit einem – wie sie es nennt „gesellschaftspolitisch modernen“ Front National.

Die französische Regierung zeigt sich indes unbeeindruckt von den Protesten, die die Organisatoren in den kommenden Monaten noch verschärfen wollen. Die Sozialministerin Marisol Touraine bekundete zwar ihren Respekt vor der Meinung der Demonstranten. Gleichwohl werde die Regierung von ihrem Projekt von Home-Ehe und -adoption nicht Abstand nehmen. Der Protest sei bei der Einführung des „Zivilen Solidaritätspakts“ 1999 schließlich ähnlich gewesen.

Foto: „Demonstration für alle“ in Paris: Für die Ehe und gegen die Homoehen-Pläne der Regierung Hollande

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