© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/12 23. November 2012

Wertekonsens für die Welt
Konrad-Adenauer-Stiftung: Spagat zwischen politischer Bildung und harter Lobbyarbeit
Sverre Schacht

Ganz ist die Rechnung der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) nicht aufgegangen. Die Partei Udar (Ukrainische demokratische Allianz für Reformen) des Boxweltmeisters Vitali Klitschko konnte die Vormacht der Regierungskoalition aus Präsident Janukowitschs Partei der Regionen und den Kommunisten nicht gefährden und wurde bei der Parlamentswahl nur drittstärkste Kraft.

Dabei hatte die KAS schon früh Beziehungen zu der im April 2010 gegründeten Udar geknüpft. Der CDU-Landtagsabgeordnete Werner Jostmeier läßt auf seiner Netzseite sogar verlauten, daß Klitschko von der Konrad-Adenauer-Stiftung „damit beauftragt“ wurde, in der Ukraine „eine christlich-konservative Partei unterstützend mit auf die Beine zu stellen und zu etablieren“. Dies weist jedoch die Leiterin der KAS-Auslandsvertretung in Kiew, Gabriele Baumann, auf Anfrage zurück. Sicher habe die Stiftung die Partei Udar seit ihrer Gründung „in Fragen von demokratischem Parteiaufbau“ beraten – von einer „Gründungsinitiative durch die KAS“ könne „allerdings nicht die Rede sein“.

Fest steht, daß die Stiftung angesichts der „zunehmend autoritären Tendenzen in der Ukraine, insbesondere der massiven Bedrängung der politischen Opposition mittels einer instrumentalisierten Strafverfolgung“, zu dem Schluß kam, sich „noch nachdrücklicher für die Förderung demokratischer Institutionen und rechtsstaatlicher Prinzipien“ einzusetzen. Das Spektrum der Kooperationspartner, zu denen bis dato Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko zählte, sollte erweitert werden, und zwar „durch eine vertiefte Zusammenarbeit mit der noch „jungen“ Klitschko-Partei. Die Folge: Im Februar 2011 weilte eine Delegation der proeuropäischen Partei in Berlin um erste politische Kontakte mit der KAS und der CDU zu knüpfen. Symposien, Vorträge zum Thema „Die europäische Perspektive der Ukraine“ sowie Besuche von Udar-Politikern in Deutschland folgten. Pflichtschuldig bedankte sich Parteichef Klitschko „ausdrücklich für die Unterstützung der Konrad-Adenauer-Stiftung und der CDU“.

Nach außen hin unabhängig, doch weitestgehend CDU-nah, ist die, zum Großteil aus öffentlichen Mitteln (Jahresbudget 2009: 120 Millionen Euro) finanzierte und als eingetragener Verein firmierende KAS nicht allein in Deutschland mit 16 Bildungswerken, zwei Bildungszentren und einer Akademie tätig, sondern weltweit. In knapp 80 Auslandsbüros und mit Projekten in über 100 Ländern kämpft sie unter dem Motto „Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit – für freiheitliche Demokratie, Soziale Marktwirtschaft und die Entwicklung und Festigung des Wertekonsenses“ für ihre Art der politischen Bildung.

Ihre Bildungsarbeit ruft jedoch nicht immer nur Zustimmung, sondern mitunter auch Mißfallen hervor: So warfen türkische Politiker der KAS 2011 vor, mit anderen Parteistiftungen als Teil eines „Geheimbundes“ im Bosporustaat Politik statt Bildung zu betreiben. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan legte deutschen Organisationen zudem finanzielle Unterstützung kurdischer Terroristen zur Last, ohne die KAS ausdrücklich zu nennen, die indes vom politischen Ankara schnell als ein Adressat der Kritik ausgemacht wurde.

Tschechiens Präsident Václav Klaus witterte im Februar ebenfalls eine „Verschwörung“, als die KAS den einstigen Klaus-Berater und Befürworter eines tschechischen EU-Austritts, Peter Mach, von der Gästeliste einer KAS-Hochschulveranstaltung zu Europa und dessen Schuldenkrise strich. Klaus drohte, den ihm 1993 verliehenen Konrad-Adenauer-Preis zurückzugeben, da die Stiftung „auf so brutale Weise eine Diskussion über ein so gewichtiges Thema einschränken wolle, noch dazu auf akademischem Boden“. Laut Adenauer-Stiftung handelte es sich um ein Mißverständnis.

Vortragsveranstaltungen und Bildungssponsoring im In- und Ausland mit der immanenten Verpflichtung auf „westliche Werte“ sind nämlich nur ein Teil der vernetzten Bildungsarbeit der KAS. Vor allem der europäische Gedanke, aber auch Werbung für die EU, ihren inneren Ausbau und ihre Erweiterung sind in diesem Kontext steter Bestandteil der Stiftungsarbeit – auch jenseits des Brüsseler Büros, wo der „Multinationale Entwicklungsdialog“ zwischen EU und Entwicklungsländern von der KAS gestaltet wird.

Jedes Jahr lädt die Stiftung über siebzig politisch und gesellschaftlich relevante Gruppen aus aller Welt nach Deutschland ein und „fördert hiermit gezielt die Netzwerkbildung politischer Entscheidungsträger“. „Wissensvermittlung“, aber auch ein „intensiver Wertedialog“ sind Ziel dieses Elitenaustausches. Zusätzlich bildet die KAS ein Korps eigener Stipendiaten heran. Eine der acht KAS-Hauptabteilungen vergibt zudem jedes Jahr rund 100 Stipendien weltweit. Diese Stipendien sind speziell für Persönlichkeiten vorgesehen, von denen „erwartet wird, daß sie als Multiplikatoren in die Gesellschaft und Politik hineinwirken“.

Diese gestalten dann von den Auslandsbüros aus eigene Programme wie den Themenbereich „Soziale Ordnungspolitik in Lateinamerika“ in Rio de Janeiro. Andere Organisationen erhalten ebenfalls Mittel, beispielsweise „Legal Leaks“, eine Gruppe, die nach eigenem Verständnis „im (östlichen) Europa das Informationsfreiheitsrecht als selbstverständliches Rechercheinstrument für Journalisten und Blogger zu etablieren“ versucht. Die KAS half hier bei der Finanzierung eines kritischen Handbuchs, das sowohl auf russisch als auch auf ungarisch erschien.

Bei solchen Aktivitäten nutzt die Stiftung aus St. Augustin internetbasierte Kommunikation, die im KAS-Jahresbericht als „ein wichtiges, nicht mehr wegzudenkendes Instrument für die Erfüllung unseres Auftrags“ genannt wird. „Netzaktive Gruppen bereiten die internationalen Themen im Internet auf, so im Politsnack“, wie ein KAS-Werbefilm im Internet erklärt. Dank angeschlossener Nutzung von Twitter und Videoblog verfügt die KAS über Möglichkeiten eines politischen Kampagnennetzwerks, nutzte in Deutschland bereits eine „Tele-Townhall“, eine Art telefonische Konferenz mit Tausenden Bürgern als Teilnehmer.

Angesichts solch medialer Möglichkeiten verschwimmen die Grenzen zwischen einem demokratischen Informationsauftrag und zielgerichteten Kampagnen. Nicht selten gleicht das Engagement der KAS einem Drahtseilakt zwischen Politikberatung, sozialem Engagement und der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates.

Entsprechend mußte die Konrad- Adenauer-Stiftung im März dieses Jahres ihre Aktivitäten in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) einstellen und ihre Niederlassung in Abu Dhabi schließen. Begründung: Nichtregierungsorganisationen sei die Arbeit vor Ort verwehrt. Bereits einige Monate zuvor hatte die Staatsanwaltschaft in Kairo die Räume der Stiftung aufgrund des Verdachts der Verletzung der Souvernität Ägyptens sowie illegaler Finanzierung ägyptischer Oppositionsgruppen durchsucht. Der sich anschließende Prozeß gegen Stiftungsmitarbeiter wurde vertagt und harrt eines Urteils.

Ein Rückschlag in der Begleitung des „arabischen Frühlings“. Dennoch sieht sich die KAS – trotz der unverkennbaren Zunahme des Einflusses islamistischer Kreise in Tunesien, Ägypten und Libyen mit ihren Auslandsbüros in der Region auf gutem Weg und erklärt optimistisch: „Schon viele Jahre knüpfen die Auslandsmitarbeiter dort Kontakte zu demokratischen Kräften und informieren über Rechtsstaatlichkeit und die Umsetzung der Sozialen Marktwirtschaft.“

Foto: Parteichef Vitali Klitschko zu Gast bei der Adenauerstiftung: Die Botschaft des Alten aus Rhöndorf aufnehmend

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