© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/12 23. November 2012

Hauptdarsteller in eigener Sache
Tatort DDR: Der Schauspieler Ernst-Georg Schwill soll länger für die Stasi gespitzelt haben, als bislang bekannt war
Richard Stoltz

Er ist einer der bekanntesten Darsteller von Nebenrollen im deutschen Film und Fernsehen: Ernst-Georg Schwill (73) aus Berlin, aufgewachsen und dann berufstätig in der DDR, zu besichtigen in unzähligen Defa-Filmen, nach der Wende weiterhin fleißig dabei im nunmehr gesamtdeutschen Fernsehgeschäft, eine massiv-gemütliche Figur, die Vertrauen einflößt. Das große Publikum kennt ihn als Berliner Tatort-(Neben)kommissar Lutz Weber.

Nun hat er kürzlich im Kurhaus von Triberg (Schwarzwald) aus seinen bereits 2008 erschienenen Lebenserinnerungen unter dem Titel „Is doch keene Frage nich“ gelesen. Zwei Jahre zuvor war seine Tätigkeit als Stasi-IM in den sechziger Jahren bis Anfang der Siebziger bekanntgeworden. Daran könne er sich kaum erinnern, wiegelte Schwill ab, es sei eine Art Jugendsünde gewesen, eben eine Nebenrolle, is doch keene Frage nich.

Leider aber ist es offenbar doch eine Frage. Denn zur selben Zeit, als Schwill in Triberg aus seinem Buch las, meldeten sich in Berlin Journalisten zu Wort, die in der Stasi-Unterlagen-Behörde recherchiert hatten und nun bekannt machten, daß der große Nebenroller als IM „mit größter Wahrscheinlichkeit“ eine eminente Hauptrolle gespielt habe. So soll Schwill von 1964 bis 1989 unter Kollegen herumgespitzelt und erst mit dem Berichteschreiben aufgehört haben, als es partout nicht mehr ging, weil nämlich DDR und Stasi verschwunden waren. Die Klärung des Falles sei sehr arbeitsaufwendig. Denn „IM Maxe“ sei für die Häscher derart wertvoll gewesen, daß sie seine Hauptakte schredderten und seine wahre Laufbahn nun also aus Schnipseln und Nebenberichten erst mühsam wieder zusammengesetzt werden müsse.

Der Fall ist tragisch für Ernst-Georg Schwill, bietet ihm aber auch eine große Chance. Er könnte nun selbst entscheidend zur Klärung des Falles beitragen, zum ersten Mal in seinem langen Schauspielerleben nicht als ewiger Nebenkommissar, sondern als Hauptkommissar! Kein Mime läßt sich doch einen solchen Superpart entgehen.

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