© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/12 23. November 2012

Nächste Runde im „Junge Welt“-Prozeß
Zeitungssterben: Ist die „JW“ die nächste, die es erwischt? Ein schwelender Rechtsstreit wird am Montag entschieden
Ronald Gläser

Die Junge Welt ist wegen der Insolvenz der Frankfurter Rundschau besonders betrübt. Aus der Perspektive der JW war die FR neben der taz im linken Mediendschungel so etwas wie die reiche Tante aus dem Westen.

Nun also die Insolvenz der FR. In der JW wurde umfangreich über die FR-Pleite berichtet. In einem vielbeachteten Interview analysierte der frühere stellvertretende FR-Chefredakteur Wolfgang Storz die Schwäche seines ehemaligen Blattes: „Jede Zeitung, die überregional auftritt, braucht ein starkes regionales Bein.“ Die FR habe sich jedoch nicht gut in ihrem Heimatmarkt behauptet.

Diese Aussage müßte auch ein Weckruf an die JW-Macher sein. Die überregionale Tageszeitung, die von gerade mal 1.325 Genossen getragen wird und deren genaue Auflage nicht bekannt ist, besitzt noch nicht einmal einen Lokalteil. Sie erscheint zwar täglich, aber dafür mit lustloser Schwarzweiß-Grafik und ebenso wie die FR fast gänzlich anzeigenfrei.

Doch die augenblicklichen Probleme der Jungen Welt lassen es nicht zu, an eine Expansion oder neue Ressorts zu denken. Das ehemals auflagenmächtigste DDR-Blatt befindet sich im Überlebenskampf, der vielleicht am Montag entschieden wird. Dann fällt das Urteil im Arbeitsrechtsstreit mit dem früheren freien Mitarbeiter Rainer Balcerowiak, der den Verlag und die Belegschaft seit Jahresbeginn in Atem gehalten hat (JF 33/12). Balcerowiak will seinen Arbeitsplatz zurück und verlangt die Abführung von Sozialbeiträgen für mehrere Jahre.

Als wäre diese Angelegenheit nicht schon peinlich genug für eine Zeitung, die sich für Arbeitnehmerrechte einsetzt, so kommt die alllgemeine Krise auf dem Zeitungsmarkt dazu. Die JW mußte im Oktober um Spenden werben. Das weitere Erscheinen sei nicht mehr gesichert aufgrund eines Fehlbetrages von 140.000 Euro, teilten Verlag und Belegschaft mit. Verliert der 8.-Mai-Verlag nun erwartungsgemäß den Prozeß gegen seinen früheren Mitarbeiter, kommen weitere Verbindlichkeiten in Höhe von etlichen tausend Euro hinzu.

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