© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/12 23. November 2012

Haltungsnote
Russische Rösser für den Zaren
Christian Rudolf

Putin, der Patriot. Die Schwäche von Rußlands starkem Mann für Autos aus heimischer Produktion ist nichts Neues. Unvergessen sein obercooler Auftritt im Schwarzmeer-Badeort Sotschi: Zum Treffen im Mai 2009 mit dem türkischen Premier fuhr er im flecktarnlackierten Lada Niva vor. Ein Allrad-Geländewagen für Hartgesottene, den hierzulande nur Förster und Landwirte fahren, extrem durstig und ständig kaputt.

Aber Putin wäre nicht Putin, wenn er nicht noch einen draufsetzen würde. Per Ukas verordnete er nun seinen Beamten eine vaterländische Roßkur des Kreml-Fuhrparks. Für die Staatsdiener der Hauptstadt wie der Provinz gilt nun:Weg mit den Westfabrikaten, dafür kommen Limousinen des sowjetischen Traditionsbetriebes Zil auf den Hof.

Schon Medwedew war mit dem Geistesblitz hervorgetreten, den Präsidenten-Mercedes durch Wagen russischer Produktion ersetzen zu lassen. Sein Vorgänger und Nachfolger Wladimir macht jetzt Ernst: Der gute Stern auf allen Straßen wird ausgemustert zugunsten einer gepanzerten Staatskarosse mit Wiedererkennungseffekt. Die Rede ist von jenen über sechs Meter langen, schwarzen Dreieinhalb-Tonnen-Ungetümen der Moskauer Lichatschow-Werke, mit denen sich weiland die Sowjet-Elite vom werktätigen Volk abschottete. Chruschtschow wie Gorbatschow ließen sich damit durchs rote Riesenreich kutschieren. Daß die Blaupause bei amerikanischen Schlitten abgekupfert war – ein Treppenwitz des Kalten Krieges. Erst der west­orientierte Jelzin wechselte zur Marke aus Sindelfingen.

Fuhr Genosse Breschnew noch eine Benzinschleuder mit Spitzenverbrauch von 65 Litern auf hundert Kilometer, so ist das Putin-Modell Zil-4112P technologisch im 21. Jahrhundert angekommen. Ob die Absage an Daimler-Benz auch den Stern über den deutsch-russischen Beziehungen sinken läßt?

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