© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/12 23. November 2012

Aufgeschnappt
Das sprayende Klassenzimmer
Matthias Bäkermann

So engagiert hat sie ihre Schüler der zehnten Klasse noch nie gesehen, schwärmt Schulleiterin Helmke Schulze des Dathe-Gymnasiums in Berlin-Friedrichshain. Tatsächlich lauschen die Jugendlichen am frühen Nachmittag hochkonzentriert dem Unterrichtsstoff. Doch nicht Latein, Geschichte oder Physik steht auf dem Stundenplan, sondern „Graffiti“. Seit Oktober dieses Jahres weist „Graffiti-Künstler“ Jurij Paderin die 31 Schüler in den richtigen Umgang mit der Spraydose und in den Szene-Jargon ein. Allerdings bringt die Lehrtätigkeit des 32jährigen „den legalen Weg“ nahe, wie das Boulevardblatt B.Z. vergangene Woche hervorhebt.

Tatsächlich gibt sich Paderin, früher wegen Graffiti-Sprühens vielfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten, heute geläutert: „Dank unserer Aufklärung über das Sprayen verliert das Illegale seinen Reiz“, ist er sich sicher. Auch wenn Fachleute wie Andreas Langer, oberster Graffitibekämpfer des Berliner Landeskriminalamtes, legales Sprayen skeptisch bewerten („legal wird geübt, illegal angewandt“, kritisierte er zuletzt im Deutschlandfunk), beeindrucken die Schüler immerhin die drohende Strafen. „Das möchte ich nie erleben“, zitiert die B.Z. den 15jährigen Denizcan Arslan, denn „illegale Graffiti sind Vandalismus“. Die Abschlußarbeit am Schuljahresende jedenfalls wird ganz legal sein: Dann dürfen Paderins Nachwuchs-Sprayer ihren Schulhof verschönern.

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