© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/12 30. November 2012

Das letzte Gefecht
NPD: Die Innenminister von Bund und Ländern entscheiden über ein neues Verbotsverfahren
Christian Schreiber

Es sieht so aus, als würden beide Parteien die Entscheidung suchen. Anfang Dezember wollen die Innenminister von Bund und Ländern darüber entscheiden, ob sie einen Antrag auf Verbot der NPD stellen. Diese ist bereits vor einigen Wochen in die Offensive gegangen und sich will ihrerseits vom Bundesverfassungsgericht ihre Verfassungstreue attestieren lassen.

Es ist der zweite und wohl auch finale Anlauf. Ein erstes Verfahren gegen die NPD stellten die Karlsruher Richter 2003 wegen der Problematik um V-Leute des Verfassungsschutzes unter den Funktionären der Partei ein, ohne die Antragsgründe auch nur zu prüfen. Und dies könnte wiederum zum Stolperstein werden. Ursprünglich hatte die Politik gehofft, Kapital aus der Affäre um die dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) zugeschriebenen Morde ziehen zu können. Daß die sogenannte Zwickauer Terrorzelle Kontakte zum ehemaligen NPD-Funktionär Ralf Wohlleben hatte, der sich demnächst wegen Beihilfe zum Mord vor Gericht verantworten muß, ist unbestritten. Unbestätigt sind allerdings Gerüchte, daß auch Wohlleben für den Verfassungsschutz gearbeitet habe.

Man kann den Eindruck gewinnen, daß die Innenministerien den Überblick verloren haben, wer in der militanten rechten Szene für den Geheimdienst arbeitet. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat daher vor großen Risiken bei einem erneuten Anlauf für ein NPD-Verbot gewarnt. „Ein zweites Scheitern wäre eine Katastrophe“, sagte die FDP-Politikerin der Passauer Neuen Presse. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ist ebenfalls skeptisch. Beide Politiker verweisen auf die hohen Hürden, die für ein Parteienverbot nötig sind.

Eine Partei kann in Deutschland nur dann verboten werden, wenn sie eine verfassungsfeindliche Haltung vertritt und diese nachweisbar in agressiv-kämpferischer Weise umsetzen will. Die Länder haben monatelang versucht, die Verfahrenshindernisse, die 2003 zu einem Scheitern geführt haben, zu beseitigen. Unter anderem wurden die Kontakte zu den Verbindungsleuten der Verfassungsschutzämter in der NPD-Führung abgebrochen. Ein Restrisiko aber bleibt. Was passiert, sollten doch noch Informationen von V-Leuten in dem Beweisantrag gefunden werden? Die Hoffnungen, man könne der Partei eine aktive Verstrickung in die NSU-Mordserie nachweisen, haben sich mittlerweile zerschlagen. Für eine Zusammenarbeit mit den Terroristen gibt es keine Beweise.

Und hier lauert die nächste juristische Hürde. Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hatten bisher Parteienverbote nur Bestand, wenn die betreffende Partei entweder Terroristen half oder aber eine reale Chance auf Machtübernahme hatte. Ersteres kann nicht bewiesen werden und letzeres ist recht unwahrscheinlich bei einer Partei, die ganz offensichtlich im Niedergang begriffen ist. Zwar ist sie mit Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern noch in zwei Landesparlamenten vertreten, in den Umfragen spielt sie ansonsten jedoch kaum noch eine Rolle.

Dennoch sieht Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer genügend Chancen für ein Verbot. Er ist einer der Motoren in der Verbotsdebatte. Wen wundert’s, schließlich beginnt in Bayern gerade der Wahlkampf. „Aus meiner Sicht gibt es genügend Material für ein Verbot“, sagte Seehofer der Bild am Sonntag. Er verwies auch auf die „besondere historische Verantwortung“. Beim Verbot der NPD gehe es auch „um das Ansehen Deutschlands in der Welt“.

Auf tausend Seiten haben die Landesbehörden Material aus öffentlich zugänglichen Quellen zusammengetragen, um die angebliche Verfassungsfeindlichkeit der Partei zu belegen. Das Material geht in der Mehrheit zurück auf Zeitungsartikel, Internetbeiträge oder Reden. Staatlich bezahlte V-Leute sollen nichts geliefert haben. Wirklich Neues liefert die Analyse auch nicht. Daß NPD-Funktionäre den Holocaust leugnen, sich rassistisch äußern und an Gewalttaten beteiligt sind, ist seit Jahren bekannt. Doch den Beweis zu erbringen, daß die Partei dies in ihrer Gesamtheit duldet und letztlich eine gewaltsame Machtübernahme anstrebt, bleibt schwierig.

Deswegen gibt sich die NPD selbst betont gelassen. Mit ihrem Vorpreschen in Karlsruhe hat sie zudem die Politik überrascht: „Wir sind nicht verfassungswidrig. Wir gehen auch nicht aggressiv-kämpferisch gegen das Grundgesetz oder die Bundesrepublik vor. Sollte ein Verbotsantrag alleine auf Initiative der Bundesländer – also den Bundesrat – erfolgen, dann sind die Aussichten auf Erfolg für die Antragstellerin verschwindend gering und eine Blamage für die Republik ohnehin vorprogrammiert“, gibt sich Parteisprecher Frank Franz selbstsicher.

Unerwartete Unterstützung erhielt die Partei Anfang der Woche vom Frankfurter Staatsrechtler Günter Frankenberg, der den Bundestag im ersten Verbotsverfahren in Karlsruhe vertreten hatte. „Sollte man ein neues Verbotsverfahren einleiten? Ich würde sagen: Man soll es nicht tun“, sagte Frankenberg laut der Nachrichtenagentur dapd auf einer Veranstaltung in Karlsruhe. In einem Verbotsantrag müßte deutlich werden, daß örtliche ausländerfeindliche Aktionen von Rechtsextremisten letztlich der Partei zugerechnet werden könnten, gab Frankenberg zu bedenken. Er warnte davor, die NPD zu unterschätzen. Die Partei gehe sehr „raffiniert“ vor.

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