© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/12 30. November 2012

Loslösung mit Hindernissen
Katalonien: Stimmverluste zwingen bürgerliche Regierungspartei zu Geprächen mit politischen Gegnern
Michael Ludwig

Wird Katalonien, ja wird ganz Spanien in naher Zukunft unregierbar? Die Regionalwahlen vom vergangenen Sonntag haben in der nordöstlichen Provinz zu einem Ergebnis geführt, das sowohl in Barcelona wie auch in Madrid für allerlei Irritationen sorgt. Die bürgerlichen Nationalisten der Convergencia i Unio (CiU) haben zwar die Abstimmung gewonnen, verfehlten aber die absolute Mehrheit. Nun ist guter Rat teuer, wie es weitergehen soll.

Die regierende CiU unter Präsident Artur Mas bot in den letzten Wochen noch einmal alle Kräfte auf, um für die Loslösung der reichsten Provinz vom spanischen Mutterland zu werben, mußte aber eine herbe Niederlage einstecken – sie verlor zwölf Mandate und ist im katalanischen Parlament (135 Sitze) künftig nur noch mit 50 Abgeordneten vertreten. Auf den ersten Blick scheint es, als hätten die Katalanen den sezessionistischen Ambitionen eine Abfuhr erteilt. Auf den zweiten zeigt sich, daß für die Mehrheit die Eigenstaatlichkeit durchaus eine Option ist, allerdings nicht unter alleiniger Führung der CiU.

Der große Gewinner ist die Esquerra Republicana de Catalunya (ERC), die statt zehn künftig 21 Abgeordnete stellen wird. Nach Ansicht der Tageszeitung El Pais konnte sie vor allem deshalb punkten, weil die Wähler, die unter allen Umständen eine Abspaltung von Spanien herbeiführen wollen, ihrem Regierungschef nicht mehr trauen. Das Mißtrauen der „independentistas“ bezieht sich auf den Vorwurf, Mas strebe eine Abspaltung nicht wirklich ernsthaft an, sondern wolle lediglich Madrid gefügiger machen, wenn es um den innerspanischen Finanzausgleich geht.

Hinzu kommt, daß es Parteichef Oriol Junqueras gelungen ist, seiner Truppe einen moderaten Anstrich zu geben – die alten Kader wurden entsorgt, das Profil der einst unberechenbar auftretenden Linkspartei weicher gespült.

Dennoch erscheint es fragwürdig, ob CiU und ERC zu einer gemeinsamen Regierung zusammenfinden werden. Der Wunsch, sich von Madrid zu lösen, ist der kleinste gemeinsame Nenner, ansonsten verbindet die bürgerliche CiU mit der linken ERC kein einziger programmatischer Entwurf. Ähnlich verhält es sich mit den übrigen Parteien, die zu dem sezessionistischen Spektrum zählen.

Bemerkenswert ist das Abschneiden der beiden großen traditionellen Parteien, der sozialistischen PSC und der konservativen Partido Popular (PP). Die PSC scheiterte vor allem daran, daß ihr Entwurf eines föderalen Systems vom Wähler nicht angenommen wurde (sie hat nur noch 20 von 28 Sitzen). Enttäuscht zeigte sich auch die PP. Sie hatte sich mit ihrem strikten Kurs, die Einheit des Landes zu erhalten, mehr Hoffnungen auf ein gutes Abschneiden gemacht, das mit dem Hinzugewinn eines Sitzes reichlich mager ausfiel.

„Die CiU hat gewonnen, aber ihre politische Strategie hat sich als Fiasko erwiesen“, erklärte Mariano Rajoy (PP), Chef der Madrider Zentralregierung, in einer Stellungnahme. Er forderte Mas auf, „zur Verantwortung zurückzukehren“. Rajoy wird auch künftig an zwei Fronten kämpfen müssen – gegen die Wirtschaftskrise und gegen ein noch unberechenbarer gewordenes Katalonien.

Foto: Anhänger der bürgerlich-nationalistischen Regierungspartei: Enttäuschte Blicke statt absolute Mehrheit

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