© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/12 30. November 2012

Die Energieeinsparverordnung droht mit absurden Bußgeldern
Bürokratisches Monster
Markus Brandstetter

Als Indien noch britische Kolonie war, gab es dort einmal eine Kobra-Plage. Die Giftschlangen vermehrten sich stark und bedrohten Mensch und Tier. Die Kolonialverwaltung setzte daher Prämien auf tote Schlangen aus. Die Kobras wurden jedoch nicht weniger, sondern mehr. Was war geschehen? Die Inder hatten angefangen, Kobras zu züchten, um die Prämie zu kassieren. Die Maßnahme wurde über Nacht wieder abgeschafft. So kommt es, wenn Bürokraten die Folgewirkungen ihres Tuns nicht bedenken.

Das hiesige Äquivalent zur Kobra-Prämie ist der Energieausweis für Privathäuser. Was das ist? Das ist ein Dokument, in dem der gesamte Energieverbrauch eines Wohngebäudes von einem zertifizierten Experten bescheinigt wird. Seit 2008 schon muß jeder Hausbesitzer so etwas haben, gekümmert hat sich bislang aber keiner drum, weil der Energieausweis nur eine Rolle spielte, wenn ein Käufer oder Mieter ausdrücklich einen verlangte. Damit ist jetzt Schluß. Ab 2013 muß der Energieausweis bei Verkauf und Vermietung unaufgefordert vorgelegt werden. Immobilienvermieter und -verkäufer müssen den „Energieverbrauchskennwert“ eines Gebäudes bereits in ihren Anzeigen nennen. Tun sie dies nicht, drohen ihnen Bußgelder bis zu 15.000 Euro.

Andere Verstöße gegen die Energieeinsparverordnung (EnEV) können zwischen 5.000 und 50.000 Euro kosten – Mehrfachbestrafung nicht ausgeschlossen. Hinter diesem drastischen Regelungstara steckt eine Entscheidung der EU, die auf der Gebäuderichtlinie von 2010 basiert. Diese muß in nationales Recht umgewandelt werden.

Nun ist es ja gar keine Frage, daß Energiesparen sinnvoll ist. Jeder Hausbesitzer weiß das und tut doch selber alles dafür, daß seine Energiekosten sich nicht andauernd erhöhen. Auch Käufer und Mieter sind nicht schutzlos. Sie können sich Energieabrechnungen der Vergangenheit vorlegen lassen und sehen dann schnell, woran sie sind. Wer ein altes Haus kauft, schaut sich Öltank und Brenner an, prüft Fenster und Türen, Stärke und Bauweise der Mauern und weiß Bescheid. Will einer wirklich auf Nummer Sicher gehen, bringt er eben seinen eigenen Sachverständigen mit. Markt, Wettbewerb und Eigeninitiative hätten das von selbst geregelt.

Aber die EU-Bürokratie hält nichts vom freien Spiel der Kräfte, da wäre sie überflüssig. Also wird geregelt, geahndet, geurteilt und bestraft. Immerhin haben dann ein paar brotlose Architekten und Ingenieure, die nun einen auf Energieberater machen können, ein bißchen was verdient.

Anwälte und Gerichte dürfen sich auf einen Klageschub freuen, und wer seinem Nachbarn Böses will, kann ihn nun anschwärzen, weil der in einer Anzeige den Energieverbrauchskennwert nicht angegeben hat. Und wieder einmal ist es dank EU gelungen, aus einem guten Gedanken eine schlechte Praxis zu machen.

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