© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/12 30. November 2012

CD: Kofelgschroa
Struppige Meditationen
Sebastian Hennig

Der Kofel ist der Hausberg von Oberammergau in Oberbayern. Geschrei ist Gezeter, Ungehorsam. Zur Musik und in der Kneipe macht man tanzend und singend seinem Verdruß Luft. Eine Plattenaufnahme solcher Zelebrierungen ist ein Widerspruch in sich. Was im Konzert dahinfließt und oftmals auch uferlos werden darf, muß griffig gemacht, in Liedtitel konfektioniert werden. Es ist gelungen, und die Aufnahmen der selbstbetitelten ersten Platte der Oberammergauer Freizeitkapelle „Kofelgschroa“ haben etwas Dokumentarisches.

Die Münchner Abendzeitung berichtet, wie der Tenorhornist der Gruppe sich verbat, Volksmusik mit X zu schreiben. Das fände er gräßlich. Der Berichterstatter schlußfolgert: „Und wenn man einer Sache sicher ist, dann der, daß Kofelgschroa und Coolness verschiedene Dinge sind. Das ist ein Lob.“ Entspannt sein heißt eben nicht, den Lässigen markieren, sondern unverkrampft zu sein.

Die Selbstdarstellung der Gruppe wirkt ehrlich und unaffektiert: „Wir spielen gerne Wechseltakte, Mollakkorde, und lange Stücke. (…) Wir sind keine professionellen Musiker, sondern Freizeitmusiker mit viel Freizeit.“

So entstehen Lieder der Langeweile und des nachschwingenden Leerlaufs, wie man sie allein vor sich hinsingt, wenn man sich ungehört, ungesehen dünkt. Sehr peinlich, wenn man sich in solchen Augenblicken versonnener geistiger Erweichung dann doch von jemand belauscht fühlt. Wir dürfen lauschen, und die Musiker sind zu viert. Mit der Selbstironie übertreiben sie es auch nicht. In diesem Ungefähr, dem unintellektuellen Habitus, liegt der Reiz dieser struppigen Meditationen.

Aus dem Hamsterradl will man aussteigen. Verlängerung des Lebens wird erbeten. Man möchte später sterben und wird schon Bescheid sagen, wenn es genug ist. Kostenloses Oropax für alle, um endlich einmal vertraulich reden zu können. „Und die Augen so schwer wie a Sackl Zement“, heißt es in einem Lied, das von der kosmischen Müdigkeit handelt. „Ein Junge spielte Ball mit der Mutter, ein andrer Junge spielte Ball mit dem Bruder, Ein andrer Junge spielte Ball mit der Hauswand, weil er keinen Zweiten fand.“ Pfeifeinlage, und dann: „Die Wäsche trocknet an der Sonne, die Wäsche trocknet auch am Wind, die Wäsche trocknet auch am Licht, wie schön ist das eigentlich?“

Hypnotischer als jeder Rave ist „Wann i“. Zweieinhalb Minuten langer instrumentaler Anlauf bis zur Trance, dann kanonartiger stimmüberlagernder Duogesang, leicht angejodelt. Der Rhythmus bleibt darunter unverändert und stampft nach dem Gesang unbeirrt weiter. Halb Velvet Underground, halb Biergartenmusik. „Jäh i di“ rezitiert Platitüden zwischen einem shantyartigen Refrain. Akkordeonist Pongratz meint zu den wirren Texten: „... machen wir, weil wir keine Antworten wissen, aber viele Fragen haben, wir wollen die Leute anregen, uns Antworten zu geben.“

Mit Mutmaßungen über den Reiseweg eines Hans endet die Platte: „Kommt er über Oberammergau oder aber über Unterammergau“. Das entspricht in etwa dem sächsischen Zungenbrecher: „Gaiser Garle gonnte geene Gümmelgörner gauen, aber Gäseguchen gonnter gatschen.“

Kofelgschroa, Kofelgschroa Trikont (Indigo), 2012 www.kofelgeschroa.de www.trikont.de

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