© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/12 07. Dezmber 2012

Proteste in Ägypten
Mursis Machtkampf
Thorsten Brückner

Das Gerede vom Pharao, der in einem kalten Putsch nach der totalen Macht in Ägypten gegriffen habe, entbehrt jeder Grundlage. Die Ankündigung von Präsident Mohammed Mursi, nach Inkrafttreten einer neuen Verfassung die an sich gerissenen Kompetenzen zurückzugeben, scheint glaubwürdig. Die Muslimbrüder selbst haben ein Interesse daran, weiterhin als Organisation über das Parlament Einfluß auszuüben. Mursis Ziel, Ägypten eine islamische Verfassung zu verordnen, wäre der Verfassungsgerichtshof im Weg gestanden.

Diesen auszuschalten, um anschließend eine Gewaltenteilung unter anderen Vorzeichen zu etablieren, ist das eigentliche Ziel von Mursis totalitärem Zwischenspurt. Betrogen fühlen sich derweil die Liberalen, die 2010 auf dem Tahrir-Platz für den Sturz Mubaraks sorgten. Warnungen, der arabische Frühling werde in einen islamischen Herbst münden, schlugen sie in den Wind. Anstatt die Situation durch Protestkundgebungen weiter zu destabilisieren, sollten sie den Verfassungsprozeß konstruktiv begleiten und dem moderaten Islamisten Mursi helfen, sich gegen die Hardliner in den eigenen Reihen sowie die Salafisten zu behaupten. Nach der Verdrängung des Militärs aus dem politischen Raum würde zum jetzigen Zeitpunkt auch ein Generalstreik der Verfassungsrichter am Nil außer Chaos wenig Veränderung bringen.

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